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Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)

Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina George
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Es wird besser.«
    »Und ja, Liebeskummer ist wie Todestrauer. Weil du stirbst, weil deine Zukunft stirbt und du darin auch … und es gibt diese verwundete Zeit. Sie dauert furchtbar lange.«
    »Aber sie wird besser. Ich weiß es jetzt.«
    Ihr Schweigen war angenehm.
    »Ich kann nicht aufhören, daran zu denken, dass wir uns nicht auf den Mund geküsst haben«, flüsterte sie hastig.
    Er schwieg ergriffen.
    »Bis morgen«, sagte sie und legte auf.
    Das hieß wohl, dass er noch einmal anrufen durfte?
    Er saß im Dunkeln in der Küche und lächelte schief.

39
    E nde August spürte er, dass er leichter geworden war. Er musste den Gürtel zwei Löcher enger schnallen, und an den Oberarmen spannte das Hemd über den Muskeln.
    Während er sich anzog, musterte er sein Spiegelbild, das ihm einen so anderen Mann zurückwarf als jenen, der er in Paris gewesen war. Braungebrannt, trainiert, aufrecht. Das dunkle, silberfädrige Haar länger, locker nach hinten gestrichen. Der Piratenbart, das lose geknöpfte, oft gewaschene Leinenhemd. Er war fünfzig Jahre alt.
    Bald einundfünfzig.
    Jean trat dicht an den Spiegel heran. Er hatte in der Sonne mehr Fältchen bekommen. Und mehr Lachfältchen. Er ahnte, dass so manche Sommersprosse keine war, sondern ein Altersfleck. Aber das machte nichts … er lebte. Das war alles, was zählte.
    Die Sonne hatte seinem Körper einen gesunden, schimmernden Braunton verliehen. Umso heller wirkten seine grünen Augen.
    MM, seine Chefin, fand, wenn er einen Dreitagebart trug, bekam er Ähnlichkeit mit einem edlen Schurken. Nur seine Lesebrille störte diesen Eindruck.
    MM hatte ihn eines Samstagabends beiseitegenommen. Es war ein ruhiger Abend. Der nächste Schwung Mieter der Ferienhäuser war gerade erst angekommen und noch geblendet von all den Sommersüßigkeiten. Die hatten anderes im Sinn, als eine Buchhandlung aufzusuchen. Sie würden in ein, zwei Wochen kommen, um vor der Abreise Pflichtpostkarten zu kaufen.
    »Und Sie?«, fragte MM. »Wie schmeckt Ihr Lieblingsbuch? Welches Buch erlöst Sie von all dem Bösen?« Sie hatte es lachend gefragt – und weil es ihre Freundinnen wissen wollten, die den Bücheresser spannend fanden.
    Sanary ließ ihn gut schlafen, immer noch. Sein Lieblingsbuch hätte nach kleinen Rosmarinkartoffeln schmecken müssen, dem ersten Essen mit Catherine.
    Aber welches erlöst mich?
    Als er die Antwort erkannte, musste er fast lachen.
    »Bücher können vieles, aber nicht alles. Die wichtigen Dinge muss man leben. Nicht lesen. Ich muss mein Buch … erleben.«
    MM lächelte ihn mit ihrem großen, breiten Mund an.
    »Schade, dass Ihr Herz blind ist für Frauen wie mich.«
    »Aber für die anderen auch, Madame.«
    »Ja, das tröstet mich«, sagte sie. »Ein wenig.«

    An den Nachmittagen, an denen die Hitze fast zu einer Bedrohung wurde, lag Perdu bewegungslos auf seinem Bett, nur mit Shorts bekleidet und mit nassen Handtüchern auf Stirn, Brust und Füßen.
    Die Terrassentür war geöffnet, die Vorhangschals tanzten träge in der Brise. Er ließ den warmen Wind über seinen Körper streicheln und döste.
    Es war gut, in seinen Körper zurückzukehren. Ein wieder lebendiger Leib zu sein, der fühlen konnte. Der sich nicht taub anfühlte und welk. Unbenutzt und wie ein Feind.
    Perdu hatte sich angewöhnt, durch seinen Körper zu denken, als ob er in seiner Seele umherspazierte und in alle Räume sah.
    Ja, die Trauer wohnte in seiner Brust. Sie schnürte ihn ein, wenn sie kam, sie nahm ihm die Luft, und sie machte die Welt klein. Aber er hatte keine Angst mehr vor ihr. Wenn sie kam, ließ er sie durch sich hindurchfließen.
    Der Angst gehörte auch der Hals. Wenn er ruhig und lange ausatmete, wurde sie weniger raumgreifend. Er konnte sie mit jedem Atemzug kleiner machen, zusammenknüllen und sich vorstellen, wie er sie Psst hinwarf, damit der Kater mit der Angstkugel spielte und sie aus dem Haus jagte.
    Die Freude tanzte in seinem Solarplexus. Er ließ sie tanzen. Er dachte an Samy und an Cuneo, an die unglaublich lustigen Briefe von Max, in die sich immer häufiger ein Name eingeschlichen hatte: Vic. Das Treckermädchen. Er stellte sich vor, wie Max einem roten Weintraktor hinterherlief, kreuz und quer durch den Luberon, und musste lachen.
    Erstaunlicherweise hatte sich die Liebe für Jeans Zunge entschieden. Sie schmeckte nach Catherines Halsgrübchen.
    Jean musste lächeln, mit geschlossenen Augen. Hier, im Licht und in der Wärme des Südens, war noch etwas

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