Das Leben dahinter (German Edition)
möglich zu nutzen, und sprach erst recht nicht in Gegenwart Dritter darüber – Janine war da die einzige Ausnahme. Caitlin vertraute ihr mehr als den meisten Menschen.
Sicherlich war ihr Spähcluster auch bereits jemandem aufgefallen, das Netz protokollierte schließlich alle Zugriffe und alle verwendeten Cluster. Bisher ohne Konsequenzen für Caitlin. Sie hatte nie versucht, irgendwelche hochsensiblen Daten auszuspähen oder Geld damit abzustauben, hatte sich damit immer nur in einem sehr engen Radius und im knöcheltiefen Wasser bewegt. Darum hatte man sie deswegen bislang vielleicht in Ruhe gelassen.
Dass es überhaupt funktionierte , war mehr als ein Wunder.
Als sie den Spähcluster fertiggeschrieben hatte, war das zu einer Zeit, in der sie nächtelang in ihrem Zimmer saß und nur dieses eine Ziel hatte; sie wollte sich vom Leben ablenken! Von seinen Demütigungen, von seiner Oberflächlichkeit. Das war noch, bevor sie mit Janine zusammengezogen war.
Irgendwann kam in ihr einfach die Frage auf, ob es überhaupt möglich war Informationen aus dem Netz zu ziehen, die nicht jedermann zugänglich waren. Zu dieser Zeit war sie so wütend auf Menschen, dass sie die Gesellschaft mehr als sonst hinterfragte. Darum wollte sie testen, ob der Informationsüberfluss vielleicht nur von Wichtigerem ablenken und ihr eine Wissensfreiheit vorgaukeln sollte.
Als der Cluster jedoch fertig war, fehlte ihr der Mut, um ihn tiefschürfend zu testen.
Ihr stockte kurz der Atem , als Janine sich plötzlich weiter nach vorn beugte und mit ihrem Arm an Caitlins linker Schulter entlang strich. Ein warmes Kribbeln breitete sich in ihr aus.
„ Hm, erwartungsgemäß... Du bist raus, Caity! Komplett!“, sagte Janine.
„Sehe ich…“
„Versuchen wir doch mal das Log zu finden.“ Sie navigierte zügig durch die Masken. „Weißt du noch zufällig, wann genau du rausgeflogen bist?“
„Vor fünf Minuten vielleicht.“
„Das ist nicht wirklich genau, hier stehen tausende Einträge für `vor fünf Minuten´ drin. Und das ist glücklicherweise nur das Log der Uni.“
„Ich weiß, ich weiß“, sagte Caitlin leicht ärgerlich. „Such einfach nach einem Eintrag in dem Zeitraum, der irgendwas mit einer Löschung zu tun hat, Jan.“
Caitlin hasste es geschulmeistert zu werden. Letztlich hatte sie selbst diesen Spähcluster in letzter Konsequenz erstellt und konnte auch mit dem Terminal umgehen, bestimmt sogar besser als Janine.
„Da ist es!“ Janines Augen leuchteten auf.
Sie war wirklich schön! Caitlins Ärger verflog sofort wieder.
„Nicht schlecht geschätzt, Kleines. Vor fünf Minuten und drei Sekunden wurde dein Account entfernt.“
Beide starrten auf die Daten.
„Schlampige Arbeit“, murmelte Janine. „Da steht sogar noch die ID des Nutzers, der es gelöscht hat. – Oh! Oder auch nicht. Weg ist der Eintrag.“
„Keine Sorge“, sagte Caitlin gelassen und tippte lächelnd an ihre Stirn. „Ist gespeichert.“
Manchmal war es wirklich nicht unpraktisch ein eidetisches Gedächtnis zu haben. Da war sie doch ganz anders als ihr schusseliger Vater.
Sie suchten nach dem Nutzer und fanden schnell einen Mann namens Chris Nowak . Weitere kurze Recherchen ergaben, dass er Professor war und hier an der Universität den Lehrstuhl für Biotechnologie innehatte. Sprechzeit hatte er heute nicht.
„Wir werden trotzdem mal bei ihm vorbeischauen“, grinste Janine. Sie sah aus wie ein Bluthund, der die Witterung aufgenommen hatte.
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Als sie über das Gelände liefen, dachte Caitlin darüber nach, warum dieser Typ ihren Account gelöscht hatte. Vermutlich war er ein hohes Tier im Fakultätsrat, wenn er die Möglichkeiten dazu hatte, Inhalte oder Nutzerkonten zu entfernen. Jedenfalls war sie der Überzeugung, dass er von ihrem Spähcluster wissen musste. Der Zeitpunkt sprach jedenfalls dafür. Es war schließlich nur kurz zuvor gewesen, dass sie ihr größtes Ding – die Beschaffung der anderen Prophezeiungen – damit durchgezogen hatte.
Sie fragte sich, ob es klug wäre, ihn jetzt aufzusuchen. Dann dachte sie jedoch, wenn die PRO wirklich ein Hühnchen mit ihr rupfen wollte, würde sie es so oder so tun. Da machte es keinen Unterschied, wo sie war oder ob sie mit einem Chris Nowak sprach.
Aber wie sollte sie es anfangen , ohne notwendigerweise über den Spähcluster reden zu müssen? Sie hatte zwar eine Löschfunktion eingebaut, falls nötig, konnte sie ihn also spurlos verschwinden lassen, aber wer wusste
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