Das Leben dahinter (German Edition)
sah, dass Clara nichts dafür konnte. Dass sie ihren Schmerz zwar nicht nachvollziehen konnte, aber ihn zumindest verstand.
Die Frau nickte, ging zum nächsten Tisch und brach schweigend auf einem Stuhl zusammen. Sie schien das jetzt zu brauchen. Clara fragte sich, ob die Frau die nächsten Tage überstehen würde, wissend, dass das Geschehene sie noch einmal mit voller Wucht einholen würde, wenn ihr Innerstes es wirklich verstanden hätte. Sie fragte sich auch, wie sich der Schmerz, das eigene Kind zu verlieren, anfühlen musste. Wie stark die Bindung zu diesem einen Menschen war. Die Liebe. Ob es damit vergleichbar war, wenn man von seinem Partner verlassen wurde. Aber Clara schämte sich schnell für diese Banalisierung. Sie war sich sicher, dass nichts mit dem Schmerz der Frau zu vergleichen war, und wendete ihren Blick von ihr ab.
Noch immer hatte sie die Tränen in den Augen und setzte sich mit ihrem Curry neben Onkel Martin. Er hatte die Szene verfolgt.
„Scheiße“, murmelte er. „Den eigenen Sohn zu verlieren.“
Clara wusste, dass er sich besser als sie selbst in die Frau hineinversetzen konnte, hatte er doch auch einen Sohn gehabt – ihren Cousin – der an einer Infektion mit einer seltenen Krankheit gestorben war. Sie wollte sich an seinen Namen erinnern, doch er fiel ihr nicht ein. Sie schämte sich deshalb noch mehr.
Onkel Martin legte seine Hand auf ihren Arm und drückte ihn schwach. Sein Mitgefühl, seine Stärke und seine Vergebung durchströmten sie.
Clara begann sich etwas besser zu fühlen.
„Weiß jemand was passieren wird?“ , fragte sie in ihrem Essen stochernd und die Tränen wegwischend, um ihre Gedanken wieder auf etwas zu lenken, das sich planen ließ, und um die Stille zwischen ihnen Dreien zu durchbrechen. Sicher war die Frage schon hunderte Male in den letzten Tagen in diesem Raum gestellt worden.
„Ich habe gehört“, begann Onkel Martin mit belegter Stimme, ohne die Hand von ihrem Arm zu nehmen oder aufzublicken. „dass der Doktor gesagt hat, die Anzahl der übrig gebliebenen Personen würde ausreichen, um uns irgendwo anzusiedeln und wieder eine Gesellschaft aufzubauen. Er meinte, dass wir noch nicht ausgestorben sind, nur bedroht.“
Clara war erstaunt.
„Und wo soll das sein?“, wollte sie wissen. „Wo sind wir denn sicher vor dem, was gerade in der Galaxie mit den Menschen passiert?“
„Keine Ahnung“, antwortete Onkel Martin. „aber die haben bestimmt einen Plan.“
Es klang irgendwie beruhigend, obwohl ihm anzuhören war, dass er selbst nicht wirklich daran glaubte.
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„Was hat Käpt’n Jason vor?“, fragte Johannson.
Stein und er waren auf dem Weg zu ihrem Quartier. Sie steckten gerade zu zweit in einem Tunnel zum E-Deck und waren sich sehr nahe.
„Immer das gleiche Thema, Mikael“, antwortete Stein etwas gedankenverloren. „Können Sie nicht einfach darauf vertrauen, dass wir einen Plan haben?“
„Oh, ich vertraue schon darauf, aber ich habe wohl wie jeder Überlebende auf der Argo das Recht auf ein paar Informationen, oder? Ich meine, was bringt denn jetzt noch die Geheimhaltung, wenn die Organisation nicht mehr existiert?“
„Okay“, entgegnete sie etwas genervt. „Wir werden morgen früh eine Erklärung in der Gemütlichkeit der Messe abgeben. Wir werden alles erzählen, was wir wissen. Nur ein paar Leute werden dabei sein. Nicht mehr als dreißig Zivilisten . Aber es wird sich ja dann sowieso im Schiff verbreiten. Sie dürfen auch dabei sein. 09:00.“
Johannson war beruhigt, doch noch nicht zufrieden.
„Warum erzählen Sie es mir nicht gleich, dann kann ich ausschlafen.“
„Nein!“ Wieder war sie grantig. „Sie werden warten!“
Sie stiegen auf dem E-Deck aus dem Tunnel. Johannson fragte nicht weiter nach und folgte Stein zu E-22.
„Ich habe Wein da“, lächelte sie in seine Richtung. „Originale Trauben von der Erde.“
„Züchtung?“
„Nein, nicht unsere. Wir haben ihn beim letzten Besuch mitgehen lassen. Wir wissen, was sie alles gefunden haben.“
„Verdammte Spione!“, lachte Johannson.
„Wenn es um Spirituosen geht, sind – waren wir unschlagbar. Spirituosenspione eben.“
Sie lachten beide über diesen herrlichen Unsinn, der sie von der Wahrheit ablenkte, als sie durch die Tür in Steins Quartier schritten.
Zisch! Die Tür schloss. Lisa Stein machte eine schnelle 180-Grad-Wende und klebte Johannson urplötzlich im Gesicht. Ihre Küsse kamen überraschend. Ihre forsche Art gefiel ihm
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