Das Leben dahinter (German Edition)
Es fiel ihr schwer zu glauben, dass alle Bewohner von Wad’Akh’Wian verschwunden sein sollten. Sie hatte tagelang eine stille Andacht für die Toten gehalten, nachdem sie die furchtbaren Bilder der Extinktion gesehen hatte. Nachdem sie gesehen hatte, wie die Menschen von dem Planeten einfach aufgelöst und weggewischt worden waren. Sie hatte viel geweint. Um ihre Eltern, mit denen sie nie etwas zu tun gehabt hatte, und um ihre Freunde, die keine waren. Es war dennoch traurig und trieb ihr auch jetzt noch Tränen in die Augen. Diese armen Seelen.
Jeder konnte es ihr ansehen, doch niemand nahm es übel. Es ging letztlich allen so.
Sie hatten Clara gesagt, dass sie nur im Subraum sicher zu sein schienen , also suchte die Argo nur noch halbherzig nach Überlebenden des Genozids und betraten das natürliche Raum-Zeit-Kontinuum sehr selten. Nur noch wenn eindeutige Anzeichen bestanden.
Das Schiff konnte im Prinzip auf unbestimmte Zeit im Zustand der Subduktion verharren, die Fusionszellen hatten genügend Kapazität und waren durch interstellare, freie Materie leicht wieder aufzufüllen. Dafür war jeweils nur ein kurzer Stopp vonnöten.
Aber s elbst wenn sie sich nicht nur zwischen der Realität versteckt, sondern verstärkt weitergesucht hätten, inzwischen war es beinahe aussichtslos, noch Überlebende zu finden. Diese ganze Geschichte ging rasend schnell und diesen Insekten war einfach nicht beizukommen.
Clara hatte überlegt, ob es vielleicht dieselben Tiere waren, die in den Inschriften der Idkha vorgekommen waren. Ob es vielleicht tatsächlich mehr als eine Prophezeiung gewesen sein konnte. Die nicht näher benannten Tiere hatten die Rasse der Akh schließlich ebenso schnell erledigt wie diese Insekten die Rasse der Menschen. Clara kam jedoch zu dem Schluss, dass es nicht sein konnte, schließlich war von den Akh etwas übriggeblieben. Überreste. Von den Menschen konnte man bereits jetzt kaum mehr etwas finden. Außerdem waren die Akh von ihren Göttern gewarnt worden, die Menschen nicht! Die Parallelen waren einmal mehr ein erstaunlicher Zufall wie Nick gesagt hätte, wäre er noch am Leben.
Clara kam an dem Tisch an, an dem Onkel Martin und sein alter Freund Robert saßen. Sie hatten sich bereits etwas zu Essen geholt und nahmen es schweigend zu sich.
Sie alle waren Robert zu großem Dank verpflichtet, auch wenn er ihren Aufenthaltsort verraten hatte. Sie wären sicherlich inzwischen ebenfalls verwertet worden, hätte er der Argo nicht eröffnet, wo sie zu finden gewesen waren. Clara fand es nur schade, dass Onkel Martin nun jedoch nie mehr zu seinem Haus zurückkehren konnte, hatte er sich doch ein wirklich schönes Fleckchen dort geschaffen…
Sie wollte sich gerade zu den Beiden setzen, als eine Frau weinend und mit zerzaustem Haar auf Clara zugelaufen kam. Sie schien auf dem Weg nach draußen zu sein. Ihre Züge waren eingefallen, ihre in Tränen schwimmenden Augen in tiefen Höhlen vergraben. Sie murmelte ständig den Namen Vladimir vor sich hin. Clara griff sie instinktiv an der Schulter.
„Hallo ?“, fragte Clara und die Frau schluchzte nur. „Kann ich irgendetwas für Sie tun?“
„Nein“, antwortete die Frau. „Nein, nein, nein! Nichts!“ Sie war völlig paralysiert und hysterisch. Sie packte Clara am Kragen und zerrte daran.
„Wie kann eine Mutter ihr eigenes Kind überleben? “, schrie sie. „Was ist nur passiert? Wieso hat uns niemand gewarnt?“
Sie sprach in ihrer Hysterie aus, was jeder auf dem Schiff dachte, was jeder fühlte. Sie schrie es Clara ins Gesicht. Sie war in einen Abgrund gerissen worden, der schon viele vor ihr verschlungen hatte. Schon vor der Apokalypse waren Menschen in dieser Düsternis des menschlichen Verlustes zerrissen und durch sie zerbrochen worden. Die Frau trug den Schmerz aller Schmerzen in sich – den Schmerz ihr Kind verloren zu haben – und war gar nicht mehr in der Lage, überhaupt etwas anderes zu denken. Dabei war es noch nicht einmal wirklich bei ihr angekommen. Sie hatte noch nicht verstanden, was passiert war, und selbst wenn Clara ihr das Warum hätte erklären können, wäre die Frau ebenfalls nicht in der Lage gewesen, dies zu verstehen. Das konnte Clara sehen und deshalb blieb ihr nur eines zu sagen:
„Alles wird wieder gut …“
„Wie können Sie das nur sagen?“, ereiferte sich die Frau mit glühendem Schmerz.
„Weil es nichts anderes zu sagen gibt.“ Clara hatte Tränen in den Augen.
Die Frau wurde plötzlich ruhig. Sie
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