Das Leben, das uns bleibt (German Edition)
tun, als wäre ich über diese Angelegenheit besonders glücklich. Das würde mir jetzt eh keiner mehr glauben. Aber ich möchte nicht, dass Matt uns verlässt. Und ich möchte auch nicht, dass er uns das bei jedem Streit wieder androht. Wir sind eine Familie.« Sie zögerte. »Und jetzt hat diese Familie ein Mitglied mehr«, fuhr sie dann fort. »Mir wären Brautjungfern, Reis und etwas mehr Vorwarnzeit lieber gewesen, aber so ist es nun mal. Zum Abendessen gibt es Fisch und die Packung Reis, die Miranda gefunden hat. Mit grünen Bohnen. Ein Hochzeitsessen.«
Matt stand auf und umarmte Mom. »Du wirst Syl noch lieb gewinnen. Das weiß ich einfach. Wie deine eigene Tochter.«
Wenn ich an meine Kämpfe mit Mom denke, glaube ich kaum, dass Syl dieses Los gefallen wird.
14. Mai
Heute haben wir den Großteil des Tages damit verbracht, den Keller trockenzulegen. Wir haben uns dabei abgewechselt, die Eimer vollzuschöpfen und auszugießen. Ein langer, scheußlicher Tag. Strom gab es auch keinen, was die Sache nicht besser machte.
Zwei Dinge aber noch: Syl hat genauso geschuftet wie wir anderen. Und wir haben nicht gesungen. Also sind wir wohl noch nicht verrückt geworden.
15. Mai
Matt und Syl sind heute mit dem Rad in die Stadt gefahren, um unsere Lebensmittel zu holen und nachzufragen, ob wir etwas mehr bekommen können – jetzt, wo Syl ein Mitglied der Familie ist. Außerdem wollten sie den Bürgermeister bitten, sie zu einem noch offizielleren Mitglied zu machen.
Jon und ich schlugen vor mitzufahren. »Ich könnte deine Brautjungfer sein«, sagte ich zu Syl. »Um Mom glücklich zu machen.«
Aber Mom machte es glücklicher, mich und Jon zu Hause zu behalten, damit wir etwas für die Schule tun konnten. Anscheinend war auch der etwas offiziellere Hochzeitstag unseres Bruders kein ausreichender Grund, Shakespeare und Algebra zu vernachlässigen.
Immerhin hat sie uns dabei nicht beaufsichtigt. Sie verbrachte den ganzen Tag damit, Matts Zimmer zu putzen. Matt war das nicht so wichtig gewesen.
»Wir sollten lieber noch ein paar Häuser durchsuchen«, sagte ich zu Jon. »Jetzt, wo Syl da ist, brauchen wir auf jeden Fall mehr Toilettenpapier.«
»Und ein weiteres Fahrrad«, sagte Jon. »Die Leute haben doch alle möglichen brauchbaren Sachen zurückgelassen.«
»Aber wohl keine Steaks, oder?«, sagte ich. »Ich kann den Fisch bald nicht mehr sehen.«
»Was soll ich denn sagen?«, meinte Jon. »Wir haben die ganze letzte Woche nichts anderes gegessen.«
Syls Existenz hatte mich dermaßen überrumpelt, dass ich noch gar nicht daran gedacht hatte, dass sie auch etwas essen musste. Der Fisch war natürlich eine große Hilfe. Statt uns eine Dose dieses, eine Dose jenes und eine Dose noch was anderes zu teilen, gibt es jetzt eine Dose dieses und eine Dose jenes plus Fisch. Aber der Fisch wird nicht ewig reichen. Dann sind wir wieder bei einer Dose dieses und einer Dose jenes und einer Dose noch was anderes. Bloß mit einem Esser mehr am Tisch.
All das beschäftigte mich gerade wesentlich mehr als Romeo und Julia , als Matt und Syl zurückkamen.
»Der Bürgermeister war nicht da«, sagte Matt. »Mr Danworth will ihm ausrichten, dass er nächsten Montag reinkommen soll. Dann fahren wir noch mal hin.«
»Und die Lebensmittel?«, fragte ich. »Kriegen wir jetzt eine Tüte mehr?«
»Vielleicht in der nächsten, wenn genug da ist. Aber das macht nichts. Syl und ich teilen uns meine Ration«, sagte Matt.
»Nein«, sagte Mom. »Syl gehört jetzt zur Familie, also teilen wir alle mit ihr.«
»Das ist lieb, Mom«, sagte Matt. »Aber ich möchte nicht, dass du dann wieder weniger isst, damit wir anderen mehr haben.«
»Jedem das Gleiche«, sagte ich und stellte mir vor, wie viel das wohl sein würde, wenn der Fischvorrat erst mal verbraucht war. Na ja, was soll’s. Ich bin Hunger gewohnt.
»Wir könnten doch morgen noch mal zum Fluss zurück, Matt, Syl und ich«, sagte Jon. »Um noch mehr Fische zu fangen.«
»Stimmt«, sagte Matt. »Ich weiß nicht, wie lange die Alsen noch wandern, aber wir sollten jedenfalls noch so viele wie möglich fangen. Syl und ich fahren morgen. Jon kann bei Mom und Miranda bleiben.«
»Ich darf nie irgendwohin«, murrte ich.
»Jon, du fährst mit Matt zum Fluss«, sagte Mom. »Syl bleibt bei Miranda und mir, damit wir uns ein bisschen kennenlernen.«
»Mom«, sagte Matt und klang dabei kein bisschen anders als ich. Quengeln scheint bei uns in der Familie zu liegen.
»Ich finde die Idee
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