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Das Leben, das uns bleibt (German Edition)

Das Leben, das uns bleibt (German Edition)

Titel: Das Leben, das uns bleibt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Beth Pfeffer
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aus. Dünn sind wir inzwischen alle, aber bei ihr wirkt es, als sei es Absicht, wie bei einem Model. Als wäre die Welt nur deshalb untergegangen, um ihre Wangenknochen mal so richtig zur Geltung zu bringen. Und dann ihre Haare. Wir haben unsere schon vor Monaten abgeschnitten, als es zu mühsam wurde, sie zu waschen. Syl dagegen trägt sie in einem dicken Zopf bis zur Taille. Und obwohl wegen der Asche im Wasser immer alles schmuddelig aussieht, scheinen ihre Haare und ihre Sachen irgendwie sauber zu sein. Jedenfalls sauberer, als ich es gewohnt bin.
    »Syl war eine große Hilfe«, sagte Jon. »Sie hat die Fische schon alle ausgenommen.« Er bückte sich, um Horton zu streicheln, der als Einziger im Raum vollkommen glücklich wirkte. Dass Jon nach Fisch stank, war dabei sicher hilfreich.
    »Das war sehr nett von dir, Syl«, sagte Mom. »Ich glaube kaum, dass Miranda sich darauf gefreut hat.«
    Ich hatte bisher noch keinen einzigen Gedanken ans Fischausnehmen verschwendet. »Der Keller steht unter Wasser«, sagte ich, um etwas zur Unterhaltung beizutragen. »Mom und ich haben gestern versucht, ihn trockenzulegen, aber allein haben wir’s nicht geschafft.«
    Aber niemand schien sich dafür zu interessieren. »Ich dachte, ich nehm die Matratze vom Schlafsofa«, sagte Matt. »Und lege sie für Syl und mich oben in mein Zimmer. Wenn wir die Möbel ein bisschen zusammenschieben, müsste sie auf den Boden passen.«
    »Ich hab ein elektrisches Heizgerät gefunden«, sagte ich. »Wenn ihr das eingeschaltet lasst, habt ihr immer, wenn’s Strom gibt, ein warmes Zimmer.«
    »Das wär toll«, sagte Matt. »Danke, Miranda.«
    »Wir haben das Holz in die Speisekammer gebracht«, sagte ich. »Um das Esszimmer und die Küche als Schlafzimmer nutzen zu können. Wäre euch das vielleicht lieber?«
    »Nein, in meinem Zimmer sind wir ungestörter«, sagte Matt.
    Mom sah aus wie ein Vulkan kurz vorm Ausbruch. »Bloß, weil ihr zwei euch ein paar Worte nachgesprochen habt, seid ihr noch lange nicht verheiratet«, sagte sie.
    »Und ob wir das sind«, sagte Matt. »Bei einer Trauung spricht man schließlich auch nur ein paar Worte nach. Klar, wir hatten keinen Pfarrer, keine Brautjungfern und keinen Reis, aber deshalb sind wir nicht weniger verheiratet. Nicht in dieser Welt, Mom. Hier hat niemand mehr Brautjungfern.«
    »Sie könnten am Montag ins Rathaus fahren, Mom«, sagte Jon. »Wenn der Bürgermeister da ist, könnte er sie trauen.«
    »Halt du dich da raus, Jon«, sagte Mom. »Und du auch, Miranda.«
    Aber es ist nicht so leicht, sich aus etwas rauszuhalten, wenn man sich im gleichen Raum befindet. »Komm mit, Jon«, sagte ich. »Wir räumen schon mal Matts Zimmer um.«
    »Ihr bleibt, wo ihr seid!«, sagte Mom. »Matt, du teilst dir mit Jon das Esszimmer. Miranda, Syl und ich schlafen im Wintergarten.«
    »Nein«, sagte Matt. »Syl ist nicht irgendeine Streunerin, die ich auf der Straße aufgelesen habe. Wir sind verheiratet, und das wollen wir auch für den Rest unseres Lebens bleiben. Wenn dir das nicht passt, gehen wir eben woandershin.«
    Ich dachte daran, wie ich vor ein paar Tagen weggelaufen war, wie leicht man heutzutage für immer verschwinden konnte, und wie schnell man auf einem dieser Leichenberge endete. »Geht nicht weg«, sagte ich. »Mom will das auch nicht. Das weißt du ganz genau, Matt.«
    Mom holte tief Luft, als wollte sie damit die Lava an ihren Platz zurückdrängen. »Syl«, sagte sie. »Nimm das bitte nicht persönlich. Du bist bestimmt ein nettes Mädchen. Hätte Matt dich unter anderen Umständen mit nach Hause gebracht, unter normalen Umständen, wäre ich überglücklich gewesen.«
    »Das hier sind die normalen Umstände«, sagte Matt. »Seit fast einem Jahr sind sie das. Mom, Syl ist das Beste, was mir je passiert ist. Ich fühle mich wieder lebendig. Keiner weiß, ob ich in sechs Monaten noch lebe. Aber was mir an Zeit bleibt, werde ich mit ihr verbringen.«
    »Und du, Syl?«, fragte Mom. »Empfindest du genauso?«
    Syl blickte Mom fest an. »Ich habe nichts mehr. Meine Familie gibt es nicht mehr. Alles, was mir früher wichtig war, ist verschwunden. Und Matt sagt, dass er mich liebt. Wie sollte ich jemanden, der das zu mir sagt, nicht lieben?«
    Ich dachte an den Mann, mit dem Syl vorher zusammen gewesen war. Hatte der auch zu ihr gesagt, dass er sie liebte? Und hatte sie ihn deshalb wiedergeliebt?
    »Du wirst in sechs Monaten nicht tot sein«, sagte Mom. »Keiner von uns. Es ist wohl sinnlos, so zu

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