Das Leben, das uns bleibt (German Edition)
Hause.«
»Nein«, sagte Jon.
»Hör auf, dich wie ein Kind zu benehmen«, sagte Dad. »Das dulde ich nicht länger.«
»Bitte«, sagte ich zu Jon. »Ich brauche dich. Ohne dich ist es da drüben unerträglich.«
Einen Moment lang wusste ich nicht, was er tun würde. Jon ist das ganze letzte Jahr stark gewesen. Er ist so erwachsen geworden. Aber ein Teil von ihm ist immer noch ein Kind.
Er nickte und schwieg. Als wir nach draußen kamen, rannte er gleich zu Julie. Sie nahm seine Hand und nach kurzem Zögern schlugen sie den Weg zu unserem Haus ein.
Alex schaute ihnen nach. Er rührte sich nicht, als ich auf ihn zuging.
»Was hat das alles zu bedeuten?«, fragte ich. »Hast du wirklich Passierscheine für eine solche Stadt? Könntest du mit Julie in einer sicheren Stadt leben?«
»Das geht dich nichts an«, sagte er.
»Wenn’s dich was angeht, geht’s auch mich was an. Also wirklich, Alex. Was muss ich tun, um dir das zu beweisen?«
»Entschuldige«, sagte er und zog mich zu sich heran. Als unsere Lippen sich trafen, hatte ich das Gefühl, alles über ihn zu wissen. Aber es gibt natürlich so vieles, was ich nicht weiß.
»Diese sichere Stadt«, sagte ich und löste mich von ihm. »Die Passierscheine.«
»Ich hab drei davon«, sagte Alex. »Für Familienangehörige – Ehefrauen, Ehemänner, minderjährige Kinder. Ich bin über die Altersgrenze schon hinaus.«
»Aber Julie nicht«, sagte ich. »Wusste Carlos von diesen Passierscheinen? Als er entschieden hat, dass sie ins Kloster soll?«
»Ich hab ihm alles erzählt«, erwiderte Alex. »Ich hab gehofft, dass er vielleicht weiß, wo eine von diesen Städten liegt. Das wird nämlich geheim gehalten. Carlos wollte herausfinden, wo’s eine gibt. Das hat er nicht geschafft, deshalb sollte ich Julie stattdessen ins Kloster bringen. Julie wollte nicht. Anfangs hab ich sie noch unterstützt. Aber Carlos hat nicht lockergelassen. Julie sollte irgendwohin, wo sie in Sicherheit ist und wo wir sie jederzeit finden können.«
»Und hast du die Scheine noch?«, fragte ich. »Hast du sie die ganze Zeit aufbewahrt?«
»Ich hab sie in Reserve gehalten«, sagte er. »Wenn nötig, hätte ich sie gegen Julie eintauschen können. Dann dachte ich, ich könnte sie den Nonnen geben, als Bezahlung dafür, dass sie Julie aufnehmen. Dann wär’s nicht nur aus Wohltätigkeit gewesen.«
»Julie kann froh sein, dass sie dich hat«, sagte ich.
»Niemand kann froh sein, dass er mich hat«, sagte er. »Hast du das noch nicht kapiert?«
»Ich bin’s trotzdem«, sagte ich. »Ich bin froh darüber.«
»Miranda … «, sagte er, aber ich brachte ihn mit einem Kuss zum Schweigen.
3. Juli
Dad und Matt sind heute wegen der Lebensmittel in die Stadt gefahren. Soweit ich weiß, ist es das erste Mal, dass sie seit unserer Fahrt zum Kloster miteinander gesprochen haben.
Als sie weg waren, kam Alex zu uns rüber. »Ich wollte dich fragen, ob du Lust hast, auf Häuserjagd zu gehen«, sagte er.
Wir stiegen auf die Räder und fuhren los. Ich schlug eine neue Richtung ein. Wir durchsuchten ein paar Häuser, ohne viel zu finden, aber das hatten wir auch nicht erwartet. Wir arbeiteten schweigend, immer zusammen in einem Raum, jedoch ohne uns zu berühren.
»Ich hab nachgedacht, Miranda«, sagte Alex irgendwann.
»Du denkst zu viel«, sagte ich.
Er zog mich an sich. Oder zog ich ihn an mich? Meine Erinnerung ist ziemlich undeutlich. Ich weiß nur noch, dass wir uns umschlungen hielten, in einem langen, harten, gierigen Kuss.
»Nein«, sagte er dann und rückte ein Stück von mir ab. »Das ist nicht richtig.«
»Du denkst ja schon wieder«, sagte ich und zog ihn in meine Arme zurück. Sein Verlangen war genauso groß wie meines.
»Komm mit uns«, sagte er. »Mit Julie und mir. Wir könnten als Familie zusammenleben.«
»Und dein Kloster?«, fragte ich.
»Das war ein Traum«, sagte er. »Genau wie die sichere Stadt. Und das Kloster für Julie. Aber du bist real, Miranda. Du, Julie und die Welt, die man uns überlassen hat. Wir können es schaffen. Das weiß ich.«
»Das wünsche ich mir auch«, sagte ich.
Alex drückte mich an sich. »Du wirst es nicht bereuen«, sagte er. »In Pittsburgh suchen wir uns einen Priester und lassen uns trauen. Ich besorge eine Unterkunft für dich und Julie, während ich in den Kohlegruben arbeite. Ihr werdet nicht hungern, das schwör ich.«
»Uns trauen lassen?«, fragte ich. »Von einem Priester? Können wir uns nicht einfach hier und jetzt die
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