Das Leben, das uns bleibt (German Edition)
Treue schwören?«
»Nein«, sagte Alex. »Wir dürfen so nicht weitermachen. Das ist eine Sünde. Entweder lassen wir uns vor Gott und der Kirche trauen oder wir hören sofort damit auf.«
Ich ergriff seine Hand. »Sei mir nicht böse. Aber ich kann jetzt nicht sagen, ja, ich werde dich heiraten und alle, die ich liebe, einfach zurücklassen. Ich liebe dich und ich will dich, aber so weit bin ich noch nicht. Und ich glaube auch nicht, dass du das wirklich willst.«
»Du weißt doch gar nicht, was ich will«, sagte Alex.
»Dann sag’s mir«, forderte ich ihn auf. »Was willst du, Alex? Mit mir zusammen sein? Zu den Franziskanern gehen? Sag mir, was du willst.«
Er stand da, so ruhig, dass ich sein Herz schlagen hörte. »Ich will gut sein«, sagte er leise. »Aber ich weiß nicht, wie.«
»Oh Alex.« Ich sehnte mich danach, ihn in den Arm zu nehmen, aber ich wusste, dass er das nicht zulassen würde. »Das weiß keiner mehr von uns.«
Er nickte. Dann fing er an zu weinen. Wie ein kleiner Junge, der sich den Mond wünscht und dem man gesagt hat, dass er ihn nie bekommen wird.
4. Juli
Früher fand ich den vierten Juli immer toll. Sommerwetter. Feuerwerk.
Heute war es trüb und um die zehn Grad.
Die Männer begingen den Feiertag mit Holzhacken. Mom hat ihre routinemäßige Vorratskontrolle durchgeführt. Gabriel, nehme ich an, hat gebrüllt, und Lisa ist ihm wahrscheinlich nicht von der Seite gewichen.
Syl isst nie was zum Frühstück. Sie sagt, das hätte sie noch nie getan und sie sähe keinen Grund, gerade jetzt damit anzufangen. Was Mom natürlich maßlos ärgert. Aber als gute Schwiegermutter behält sie ihre Ansicht, das Frühstück sei die wichtigste Mahlzeit des Tages, lieber für sich.
Alle waren also eifrig beschäftigt und Syl hatte sich oben in Matts Zimmer verkrochen. Deshalb ging ich rauf, um mit ihr zu reden. Was ich seit unserer Rückkehr kaum getan habe. Und was ich, ehrlich gesagt, auch heute nur deshalb machte, weil ich sie etwas fragen wollte.
Ich klopfte an die Tür und bat sie mich reinzulassen.
Sie lag auf der Matratze vom Schlafsofa, unter einem ganzen Stapel Decken, obwohl das Heizgerät auf vollen Touren lief.
»Mir ist nie warm genug«, sagte sie. »Außer im Wintergarten direkt am Ofen.«
»Dann komm doch runter«, schlug ich vor.
»Mach ich auch. Später«, sagte sie.
Als ich sie ansah, musste ich daran denken, wie sie Horton in den Tod geschickt hatte. Dann schob ich diese Gedanken beiseite. Sylt wusste vielleicht etwas, das Alex und Julie helfen würde. »Du hast neulich mal was gesagt«, hob ich an. »Über LKW -Fahrer.«
»Was ist mit denen?«, fragte sie und stützte sich auf ihren Ellbogen.
»Du hast erzählt, dass sie manchmal anhalten, auf dem Weg zu einer sicheren Stadt«, sagte ich. »Und Leute ein Stück mitnehmen.«
»Nur Mädchen«, sagte Syl. »Nicht für Männer. Und auch nie auf dem Weg zu irgendeiner sicheren Stadt. Dann wären die LKW s ja voller Lebensmittel gewesen. Nur auf dem Rückweg haben sie manchmal ein Mädchen mitgenommen.«
»Bist du auch mal aufgegabelt worden?«, fragte ich.
»Was geht dich das an?«, fragte sie zurück.
»Nichts«, sagte ich. »So war das nicht gemeint. Ich wollte nur wissen, ob einer von ihnen dir vielleicht mal erzählt hat, wo er herkommt, wo eine von diesen sicheren Städten liegt. Sonst nichts.«
»Nein«, sagte Syl. »Das hätten die niemals getan. Die hatten viel zu viel Angst, ihren Job zu verlieren.«
»Ach so«, sagte ich. »Dann will ich nicht weiter stören.«
»Setz dich«, sagte sie. »Ich mag’s nicht, wie du da rumstehst und mich böse anstarrst.«
»Ich starr dich nicht böse an«, sagte ich, gehorchte aber trotzdem und setzte mich zu ihr auf die Matratze.
»Spielt doch keine Rolle, wo sich diese sicheren Städte befinden«, sagte Syl. »Von uns kommt da sowieso keiner rein. Wir sind nicht wichtig genug. Die sind nur für Politiker und solche Leute.«
Syl und Lisa sind inzwischen ziemlich eng miteinander. Wenn Dad Lisa von den Passierscheinen berichtet hätte, hätte Lisa es garantiert auch Syl erzählt. Also hatte Dad dieses Wissen offenbar für sich behalten, vielleicht, weil es Lisa zu sehr aufregen würde. Ich musste also aufpassen, dass ich Syl nicht verriet, warum ich danach fragte.
»War nur so ’ne Idee«, sagte ich. »Ich dachte, wir kämen vielleicht rein, weil Mom Schriftstellerin ist. Deshalb. Mir war eingefallen, dass du mal davon gesprochen hast, und ich dachte, ich frag einfach
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