Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)
er wie kein anderer Autor darzustellen vermochte, lebten ja nicht von den Realitäten der Liebe, sondern vom Traum von ihr.
Waren es in Hof die unerfahrenen Bürgertöchter gewesen, denen seine Sehnsucht gegolten hatte, so traten nach Erscheinen des »Hesperus« nun erfahrene, meist adlige Frauen an deren Stelle, bei denen er nicht mehr der Werbende, sondern der Umworbene war. Während die meisten dieser Verhältnisse brieflich begannen, sprach Juliane von Krüdener im August 1796, also einige Wochen nach seinem ersten Besuch in Weimar, bei ihm persönlich vor. Unangemeldet stand die weltgewandte blonde Dame von zierlicher Schlankheit plötzlich in der ärmlichen Behausung der Mutter und übte durch ihre großen, tiefblauen Augen eine besondere Bezauberung aus. »Sie kamen wie ein Traum. Sie flohen wie ein Traum, und ich lebe noch in einem Traum« , schrieb ihr Jean Paul wenige Tage später in seinem ersten Brief an sie.
Abb.24: Juliane von Krüdener im Alter von etwa 35 Jahren.
Titelkupfer der 2. Auflage von »Valérie«, Paris 1804
Einige Jahre zuvor war sie von Angelika Kauffmann in Rom gemalt worden, mit ihrem Söhnchen zur Seite, das sinnigerweise mit Amors Bogen bewaffnet ist. Als sie den dreiunddreißigjährigen Jean Paul besuchte, war sie 32, hatte hinter sich ein in Luxus geführtes bewegtes Leben, und ein nicht weniger bewegtes stand ihr noch bevor. Sie war als Tochter des baltischen Adligen von Vietinghoff im damals russischen Riga geboren worden, hatte in jungen Jahren den 20 Jahre älteren russischen Diplomaten Burkhard Alexis von Krüdener geheiratet, diesen auf seinen Gesandtenposten in Kopenhagen begleitet, war viel auch allein in Europa unterwegs gewesen und hatte manches Liebesabenteuer erlebt. Jetzt meinte sie, ihr Leben ändern zu müssen. Sie wollte Bücher schreiben, die die Tugend befördern, in der Schweiz ein stilles und naturverbundenes Leben führen, vorher aber den Autor des »Hesperus« gesprochen haben, der ihr Vorbild war.
Bei ihrem Besuch in Hof, der nur wenig mehr als eine Vormittagsstunde dauerte, waren es besonders ihre »oft in Tränen verklärten« Augen, die den Autor so beseligten, dass er auf ein weiteres Wiedersehen drang. Schon im Oktober trafen sie in Bayreuth wieder zusammen, und er »blätterte 2 Abende in ihrem Herzen« , wie er an einen Freund schrieb. »Sie hat meine Seele erobert, ich sehe ihre Sonnen- und Sommerflecken des Weltlebens, ihre übertriebene Selbstachtung, ihre weiblichen Niederlagen; – aber ich sehe auch den fliegenden, glühenden Geist.« Aber dieser verglühte für ihn bald wieder. Nachdem noch einige gefühlvolle Briefe hin und her gegangen waren, blieben seine Antworten aus. In vier Jahren, in denen sie es wieder und wieder versuchte, kam von ihm nur einmal ein schwaches Echo, sogar ihre verlockende Einladung in die Schweiz wurde von ihm ignoriert. »Ich habe eins der angenehmsten Häuser bei Lausanne, was Aussicht und Lage betrifft. Sie würden mich wirklich erfreuen, wenn Sie ein Zimmer darin annähmen, dort ganz ohne Zwang mit Ihren Büchern unter dem Schatten der Alpen lebten und Ihrer Freundin so einige Zeit Ihres Lebens schenken. Mit offenem, wahren Zutrauen, das keinen Prunk kennt, bietet Ihnen mein Herz dieses an, und ich wäre sehr glücklich, wenn Sie ja sagten.«
Er aber schwieg, arbeitete fleißig wie immer und nährte mit Briefen die Hoffnung anderer Frauen. Seitdem die seelenvollen Augen Frau von Krüdeners nicht mehr auf ihn wirkten, schienen ihm wohl auch ihre philanthropischen Phrasen nicht mehr glaubhaft, vielleicht aber war ihm langsam auch klargeworden, dass sie mit seiner Berühmtheit nur glänzen wollte und dazu auch noch die Hoffnung hegte, später einmal eine seiner Romanheldinnen zu sein.
Angedeutet hatte sie dergleichen schon in ihrem ersten Brief. Da hatte sie sich selbst als eine »reiche Goldgrube« bezeichnet, deren Wert der Welt aber leider noch unbekannt sei. Da sie selbst nicht die Fähigkeit habe, diesen Schatz der Menschheit zu präsentieren, hoffe sie auf einen, der das könne, dazu nötig aber sei »die Hand eines Genies« . Später äußerte sie die Hoffnung, in dem »schönen Paradiese« von Jean Pauls Schöpfungen »naturalisiert« zu werden, wurde dann aber bescheidener, indem sie ihn nur darum bat, »bei einer müßigen Stunde« für sie aufzuschreiben, welchen Eindruck sie auf ihn gemacht hatte, als er sie zum ersten Mal sah. Das aber lehnte er mit der Bemerkung: »Der mit Dinte gemalte
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