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Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter de Bruyn
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Briefe der ersten Wochen in Weimar vor allem berichteten, gesellte sich nach und nach aber auch Kritik. So musste er feststellen, dass die kleinen Leute im Herzogtum Karl Augusts so ärmlich lebten wie die in Hof und Umgebung, dass bei den Aristokraten Sittenlosigkeit herrsche, über die er nur mündlich erzählen könne, und dass die großen Autoren nur geringe Literaturkenntnisse hätten, was, an seinem eigenen Lektürekonsum gemessen, sicher der Wahrheit entsprach. Zwar konnte er über den Kreis der Schöngeister um Anna Amalia, der Mutter des Herzogs, lobende Worte finden, weil er dort als Gleichrangiger gesehen wurde, zum Hof des Herzogs aber wahrte er Distanz. Rang und Stand konnten ihn nicht beeindrucken. Macht und Reichtum störten ihn so wenig, wie sie ihm imponierten, und wenn er einen der Herrschenden verehrte, dann nicht wegen, sondern trotz seiner Macht. Auch waren die von ihm Verehrten aus höheren Kreisen meist jene Frauen, die auch ihn verehrten, so dass er das Empfinden haben konnte, ihnen als ein Großer aus dem Reich des Geistes gleichberechtigt gegenüberzustehen.
    Otto, der dem Freund vorgeworfen hatte, sich aus Eitelkeit den hohen Herrschaften anzudienen, bekam zu erfahren, dass es sich anders verhielt. Als bei einem Hofkonzert in Weimar, bei dem die Bürgerlichen auf den schlechten Plätzen der Galerie zu sitzen hatten, dem Dichter bedeutet wurde, er dürfe im Parkett bei den Edelleuten sitzen, wenn er sich, um nicht Ärgernis zu erregen, einen Degen umschnalle, lehnte Jean Paul das mit der Begründung ab: »Andere werden durch Degenabnehmen degradiert, ich würd’ es durchs Gegenteil.«
    Zwar sei er oft eitel, »aber frank und frei und spielend, weil ich immer etwas in mir habe, was sich um keinen Beifall schiert. In meinem 10. Jahr erhob ich mich ohne Muster und Nachahmer schon über Stand und Kleider und war ein Republikaner im 18., und finde noch jetzt hier einen Mut und eine Denkungsart gegen Fürsten in mir, die ich bei den großen Männern hier eben nicht so finde. Überhaupt steig ich ja in die Nester der höhern Stände nur der Weiber wegen hinauf, die da wie bei den Raubvögeln größer sind als die Männgen« .
    Eines der angeblich größeren Weiber, die von ihm wohl deshalb für größer gehalten wurden, weil sie sich im Gegensatz zu ihren Ehemännern für den »Hesperus« begeistern konnten, war die Herzogin Charlotte von Sachsen-Hildburghausen, die neben ihrer Schönheit und ihrer Jean-Paul-Verehrung auch noch den Vorzug besaß, Schwester der preußischen Königin Luise zu sein. Am Hof dieser Herzogin begann für Jean Paul ein neues Kapitel in der Chronik seiner halbherzigen Liebesverhältnisse, diesmal aber mit einer jüngeren und noch unverheirateten Frau. Ein Brief von ihr war Anlass zu seinem Besuch in Hildburghausen gewesen, wo er sie Ende Mai 1799 zum ersten Mal traf. Obwohl er gerade dabei war, sein Verhältnis mit Charlotte von Kalb zu lösen und ein neues, bisher nur briefliches, mit einer Josephine von Sydow zu beginnen, fand er an ihr so viel Gefallen, dass er einige Tage länger als vorgesehen in Hildburghausen blieb. Sie war fünfundzwanzig Jahre alt, hieß Karoline von Feuchtersleben, musizierte, malte, schrieb gefühlvolle Gedichte und diente zeitweilig als Hofdame bei der Herzogin. Ende Juli machte er ihr brieflich eine Liebeserklärung, und als er ihr im Oktober zum zweiten Mal begegnete, kam es zu einer heimlichen Verlobung, die, als sie Wochen später bekannt wurde, ihre Familie empörte, wobei man wohl weniger an dem bürgerlichen Herkommen des Heiratskandidaten als an seiner Besitzlosigkeit Anstoß nahm.
    Abgesehen von ihrer älteren, schon verheirateten Halbschwester, die auch zur Gemeinde der Jean-Paul-Verehrerinnen zählte, hatte die arme Karoline, die fest auf ihrem Vorsatz zur Heirat beharrte, sowohl ihre verwitwete Mutter als auch ihre älteren Brüder und ihren Onkel, der ihr Vormund war, gegen sich. Als Fürsprecherin aber hatte sie die Herzogin Charlotte, die dem Dichter, vielleicht um ihn der Familie Feuchtersleben angenehmer zu machen, schon im August den amt- und gehaltlosen Titel eines Legationsrates verliehen hatte, und das Ehepaar Herder, dessen Eintreten für den Heiratskandidaten für dessen Solidität zu bürgen schien. Da Karoline auch noch nach einem halben Jahr der seelischen Folter tapfer auf ihrem Standpunkt beharrte und Jean Paul mit Herders Unterstützung seine finanziellen Möglichkeiten zur Ernährung einer Familie glaubhaft machen

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