Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)
konnte, stimmte die Mutter schließlich unter der Bedingung, dass der Bräutigam ihr vorläufig nicht ins Haus komme, im Februar 1800 der Heirat zu.
Abb.27: Karoline von Feuchtersleben.
Aquarell-Miniatur
Da der Brief, in dem Jean Paul dem in Krakau lebenden Bruder Karolines, Ernst von Feuchtersleben, seine zu erwartenden Einkünfte aufzählte, nicht erhalten ist, weiß man nur aus einem Brief Karolines, wie optimistisch er seine künftige finanzielle Lage sah oder zu sehen vorgab. »Er bekommt für jeden Bogen 5–6 Louisd’or schwer Geld, was nach unserem ungefähr 32 Rrthlr beträgt, und er schreibt bei der größten Muße wöchentlich einen Bogen. – Kapital hat er jetzt nur 2100 Rthlr, etwas mehr also als ich. Rechne nun selbst. Sein Stand und seine Unabhängigkeit machen ihn von allen Anforderungen des leeren, aber teuren Lebens frei, und wir können uns nach Willkür einschränken, ohnerachtet die Madame Richter reicher sein wird als das Fräulein von Feuchtersleben. – Man wendet ein, dass er mir kein Wittum geben könne, dagegen hab’ ich das Versprechen des edeln wahrhaften Mannes, dass mir einst die traurige Unterstützung von einer Summe zukomme, die er in 5–6 Jahren für die sämtliche Ausgabe seiner Werke erhalten wird und welche sich auf 12–16000 Rthlr beläuft.«
Aber nicht die kühne Behauptung, er könne einen Bogen pro Woche schreiben, oder die vage Aussicht auf die Sämtlichen Werke, die in Wahrheit noch ein Vierteljahrhundert auf sich warten ließen, werden die Sache entschieden haben, sondern der Einfluss der Herzogin Charlotte, der an der Bindung des berühmten Dichters an ihren Hof gelegen war.
Abb.28: Brief von Karoline von Feuchtersleben
an Jean Paul vom 31. Januar 1800
Gefeiert werden sollte das gute Ende der monatelangen Auseinandersetzungen bei einer dritten Begegnung der Liebenden am 21. März 1800, dem 37. Geburtstag des Dichters, aber nicht in Hildburghausen, sondern der verärgerten Mutter wegen in Ilmenau. Doch der Bräutigam sagte ab, weil das Wetter schlecht war und er sich unpässlich fühlte, reiste wenig später aber nach Gotha, so dass das Treffen in Ilmenau, auf der die Hochzeit besprochen werden sollte, sich auf den Mai verschob. Am 24. April richtete der Verlobte einen Brief an Josephine von Sydow, in dem er ein baldiges Treffen mit ihr in Berlin verabredete und mit den Worten endete: »Reise glücklich, liebe Josephine, ich schreibe dir nun nicht mehr, und das erste Wort, das du von mir hören wirst, kommt nicht aus der Feder, sondern von den Lippen, und ich ruh’ an deinem Herzen, wenn ich dir meines zeige.« Eine Woche später sah er seine Verlobte in Ilmenau wieder. Des Anstands wegen wurde er vom Ehepaar Herder begleitet, die Braut von ihrer Halbschwester Ernestine von Beck. Drei Frühlingstage verbrachte man miteinander, als man sich wieder trennte, war das Verlöbnis gelöst.
Was genau zu dieser Trennung führte, ist aus den Briefen der Beteiligten nicht klar ersichtlich, doch kann man mit Sicherheit annehmen, dass Jean Paul es war, der sie vollzog. In seinen Briefen nennt er einmal die Ilmenauer Geschehnisse ein »langes Rätsel, in dem nur moralische Charaktere spielen« , dann aber schreibt er, dass nicht der »Stand« des Fräuleins, sondern »moralische Unähnlichkeiten« entscheidend gewesen seien, und später schrieb er dem Freund Otto etwas von »moralischen kleinen Ecken« , an denen eine Ehe leicht scheitern kann. »Wir sind gleichförmig im höhern Streben« , heißt es in einem der Abschiedsbriefe an Karoline, »wir spielen dieselbe höhere Melodie, aber jedes trägt sie in einer anderen Tonart d.i. Individualität vor und dadurch wird das Ähnlichste das Unähnlichste; die Sekunde ist der größte Misston. Die heftigsten Gefühle springen am leichtesten in ihr Gegenteil um, und die höchste Liebe verwundet sich tödlich am kleinsten Unterschied«.
Karoline, die sich ergeben in ihr Schicksal fügte, ohne dem Ungetreuen zu zürnen, schrieb ihm noch lange herzzerreißende Briefe, in denen man zum Beispiel im September 1800, als Jean Paul schon die nächste Verlobung im Auge hat, Folgendes lesen kann: »Der Mann regiert die Zügel seines Geschicks, und wenn sie reißen oder gerissen werden, so hat er Kraft und Macht sie wieder zu knüpfen. Das arme ohnmächtige Weib kann und darf dies nicht. Geht des Mannes Pfad durch eine Wüste: er hat doch freie Wahl, offene Wege vor sich. Unser Gartenleben ist von Mauern umschränkt wie unsere
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