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Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter de Bruyn
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Frühgottesdienstes, den Lazarus mit seinen Hunden und seinen eignen langen Sarg in Eile vor, ferner das Köpfen so mancher Menschen, Werthers Leiden, ein kleines Schlachtfeld und sich selber, wie er sich da so erbärmlich um den Testamentsartikel in seinen jungen Jahren abquäle und abringe – noch drei Stöße hatt’ er zu tun mit dem Pumpenstiefel, so hatte er sein Wasser und sein Haus. … Ich glaube, meine verehrtesten Herren, – sagte Flachs, betrübt aufstehend und überfließend umhersehend – ich weine – setzte sich darauf nieder und ließ es vergnügter laufen; er war nun auf dem Trocknen.«
    Haupterbe des riesigen Vermögens aber ist ein in Haßlau unbekannter junger Mann vom Lande, der Schulzensohn Gottwalt Harnisch, Walt genannt, der bettelarm ist und die Menschen liebt wie sonst keiner, der aber auch, was der Verstorbene bedauerte, der Poesie verfallen ist. Um aus diesem gutherzigen Träumer und angehenden Dichter einen lebenstüchtigen Mann zu machen, soll er sich vor Antritt der reichen Erbschaft als Gärtner, Notar, Lehrer, Klavierstimmer, Jäger, Buchhändler, Korrektor und Pfarrer bewähren, andernfalls fällt die Erbschaft den sieben Miterben zu. Neben diesem pädagogischen Zwang der Testamentsklauseln wirkt nun aber mit Walts verstandesklarem Zwillingsbruder Vult eine andere Kraft auf den naiven Zögling ein. Ein Entwicklungs- und Bildungsroman wie der »Wilhelm Meister« scheint hier also auf humoristische Art zu beginnen, endet aber bald schon wieder, weil Walt nicht auf Reichtum, sondern auf Freundschaft und Liebe aus ist, und auch Vult ihn nicht dazu bringen kann, die Übel der Welt statt mit Liebe mit spöttischer Verachtung zu sehen. »Gehabe dich wohl, du bist nicht zu ändern, ich nicht zu bessern« , heißt es deshalb, als Vult sich wieder von seinem gefühlsseligen Bruder trennt. Die vom Erblasser gewünschte Anpassung an die bürgerliche Welt, in die zeitgemäß auch der Adel mit hineinspielt, ist also misslungen, aber kein Leser kann sie wünschen, denn so lebensfremd der Jüngling auch ist, so liebenswert ist er auch.
    Walt sieht die Welt so schön und frohgemut, wie er in einem Brief den Sommer malt: »Gott, welche Jahreszeit! Wahrlich, ich weiß oft nicht, bleib’ ich in der Stadt oder geh’ ich aufs Feld, so sehr ists einerlei und hübsch. Geht man zum Tor hinaus, so erfreuen einen die Bettler, die nicht mehr frieren, die Postreiter, die mit vieler Lust die ganze Nacht zu Pferde sitzen können, und die Schäfer schlafen im Freien. Man braucht kein dumpfes Haus; jede Staude macht man zur Stube und hat dabei gar meine guten emsigen Bienen vor sich und die prächtigsten Zweifalter. In Gärten auf Bergen sitzen Gymnasiasten und ziehen im Freien Vokabeln aus Lexicis. Wegen des Jagdverbotes wird nichts geschossen, und alles Leben in Büschen und Furchen und auf Ästen kann sich so recht sicher ergötzen. Überall kommen Reisende auf allen Wegen daher, haben die Wagen meist zurückgeschlagen, den Pferden stecken Zweige im Sattel und den Fuhrleuten Rosen im Mund. Die Schatten der Wolken laufen, die Vögel fliegen darzwischen auf und ab, Handwerkspursche wandern leicht mit ihren Bündeln und brauchen keine Arbeit. Sogar im Regenwetter steht man sehr gern draußen und riecht die Erquickung, und es schadet den Viehhirten weiter nichts die Nässe. Und ists Nacht, so sitzt man nur in einem kühlern Schatten, von wo aus man den Tag deutlich sieht am nördlichen Horizont und an den süßen warmen Himmelssternen. Wohin ich nur blicke, so find’ ich mein liebes Blau, am Flachs in der Blüte, an den Kornblumen und am göttlichen unendlichen Himmel, in den ich gleich hineinspringen möchte wie in eine Flut. – Kommt man wieder nach Hause, so findet sich in der Tat frische Wonne. Die Gasse ist eine wahre Kinderstube, sogar abends nach dem Essen werden die Kleinen, ob sie gleich sehr wenig anhaben, wieder ins Freie gelassen und nicht wie im Winter unter die Bettdecke gejagt. Man isset am Tage und weiß kaum, wo der Leuchter steht. Im Schlafzimmer sind die Fenster Tag und Nacht offen, auch die meisten Türen, ohne Schaden. Die ältesten Weiber stehen ohne Frost am offenen Fenster und nähen. Überall liegen Blumen, neben dem Dintenfass, auf den Akten, auf den Sessions- und Ladentischen. Die Kinder lärmen sehr, und man hört das Rollen der Kegelbahnen. Die halbe Nacht geht man in den Gassen auf und ab und spricht laut und sieht die Sterne am hohen Himmel schießen. Selbst die Fürstin

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