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Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter de Bruyn
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alsdann die Buchhändler als Offizianten der Zensurkollegien ausgeben, und der Staat hätte keinen Heller Ausgabe.«
    Nach dieser satirischen Einleitung werden dann im Hauptteil alle Argumente für das Verbot von Büchern der verschiedenen Wissensgebiete widerlegt. Nur zwei Ausnahmen lässt der Autor, aber auch nur mit Einschränkungen, als Zensurnotwendigkeit gelten: das Überhandnehmen lasterhafter Schriften und die Kriege, wobei er zu Letzteren anmerkt: »Allein es kann also nur in einer Zeit verboten werden, die selber zu verbieten wäre.« Sonst aber gilt für ihn der Grundsatz, dass ein Buch der Menschheit und der Ewigkeit gehört und kein Zensor über seine Existenz richten darf. In wessen Namen auch? In dem der Wahrheit? Das setzte ja voraus, der Zensor hätte sie. Dann wäre alles Suchen nach ihr, jede Wissenschaft also, unnütz, und man brauchte »bloß beim Zensor einzusprechen und sich bei ihm die nötigen Wahrheiten abzuholen« . Und statt den Einfluss von Wahrheiten auf das Volk zu fürchten, sollte man ihm Möglichkeiten, diese zu erkennen, geben. »Das arme Volk! Überall wird es in den Schlosshof geladen, wo die größten Lasten des Friedens und des Kriegs wegzutragen sind; überall wird’s aus demselben gejagt, wo die größten Güter auszuteilen sind, z.B. Licht, Kunst, Genuss, ja bloße dritte Feiertage. … Mit welchem Rechte fordert irgendein Stand den ausschließenden Besitz des Lichts, dieser geistigen Luft, wenn er nicht etwa eines aus dem Unrecht machen will, desto besser aus dem Hellen hinab zu regieren ins Dunkel?« Und wenn man meine, das Volk missverstehe die Wahrheiten nur, so könne das doch auch den Herrschenden passieren, und die Zensoren müssten auch diesen das Lesen verbieten, weil deren Möglichkeiten, Unheil zu stiften, viel größer seien. Erkenntnisse seien für alle da und nur in Unabhängigkeit zu gewinnen. Der »Erkenntnisbaum« wachse nur als »Freiheitsbaum«. Und wer Angst vor einem Umsturz habe, der verbiete nicht Bücher, sondern verändere die Zustände. »Der Geist, der Staaten umwarf, war der Geist der Zeit, nicht der Bücher, die er selber ja erst schuf und säugte. Wird denn der Autor nicht früher als sein Buch gemacht? Werther erschoss sich, ohne noch von Werthers Leiden eine Zeile gelesen zu haben.« Und wenn Regierungsformen kritisch untersucht würden, sollten die Herrschenden doch froh sein, Wahrheiten über sich zu hören, statt sie zu verbieten. Ist ein Lob des Herrschers doch nichtssagend, wenn die Möglichkeit, ihn zu tadeln, nicht besteht.
    Am Schluss des Büchleins kommt Jean Paul auf die Satire des Anfangs zurück und bietet sich selbst als Zensor der eignen Werke an, anscheinend ohne zu ahnen, welcher Ernst sich in diesem Spaß verbirgt. Denn mit dem, was er »Selber-Zensierung« nennt, beschreibt er Gefahren, die erst später akut wurden, als die Zensur und die geistige Manipulierung sich besonders in totalitären Staaten so perfektionierte, dass bewusste oder auch unbewusste Selbstzensur zur Notwendigkeit wurde, wollte man einem Verbot entgehen. Deshalb lesen sich Jean Pauls Späße heute wie Prophetie. »Diesen Posten [den des Zensors] versieht er, wenn er ihn ersteigt, spielend nebenher unter dem Schreiben der Werke selber, gleichsam mit einem Gesäß zugleich auf dem Richterstuhl und auf dem Geburts- und Arbeitsstuhl das Seinige tuend. … Das Fach, worin der Autor arbeitet, ist gerade sein eignes … Er kundschaftet, was ein fremder Zensor schwerer kann, die feinsten Absichten und Schliche des Verfassers aus von Ferne … und kann … sich zensieren bis zum Verbieten.«
    Mit einem Aufruf an die Fürsten zur »Freilassung der freigeborenen Gedanken« schließt Jean Pauls erste politische Schrift.

Friedenspredigten
    Seit der Intervention der alten Mächte gegen die französische Republik hatten in Europa mit nur kurzen Unterbrechungen Kriege getobt. Die Verteidigungskämpfe der Franzosen waren unter Napoleons Führung zu Eroberungskriegen geworden, doch hatten diese als Folge des 1795 zwischen Preußen und Frankreich abgeschlossenen Separatfriedens von Basel Nord- und Mitteldeutschland unberührt gelassen, was unter anderem auch der Glanzzeit der deutschen Literatur um 1800 zugutegekommen war. Während England und Frankreich um die Weltherrschaft stritten, die kontinentalen Großmächte von Napoleon geschlagen wurden und das deutsche Reich zwar noch formell existierte, aber völlig zerrissen und ohnmächtig war, nahm die in voller Blüte

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