Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)
keine Beachtung geschenkt. In schlechter Erinnerung war aber die Begegnung mit dem jungen Hoffmann bei Jean Paul und Karoline deshalb geblieben, weil Hoffmann seiner Verlobten damals unbegründet plötzlich untreu geworden war. Zehn Jahre später traf Jean Paul nun auf seiner Reise nach Bamberg am Mittagstisch des Verlegers und Weinhändlers Karl Heinrich Kunz mit Hoffmann wieder zusammen, der als Kapellmeister am Bamberger Theater wirkte und auch als Schriftsteller bekannt zu werden begann. Obwohl beide in Rousseau, Sterne und Hippel die gleichen literarischen Ahnen hatten, beide große Trinker waren und Hoffmann den »Hesperus« sehr geschätzt hatte, fanden sie keinen Gefallen aneinander, weil dem Jüngeren die Sentimentalität des Älteren nicht behagte und dem Älteren am Jüngeren der boshafte Witz missfiel. Als dann 1813 Jean Paul vom bücherverlegenden Weinhändler Kunz darum gebeten wurde, für Hoffmanns ersten Novellenband »Fantasiestücke in Callots Manier« ein Vorwort zu schreiben, lehnte Jean Paul das mit dem Hinweis auf Hoffmanns lockeren Lebenswandel, der damals in Berlin zu dem Verrat an Karolines Freundin geführt hatte, erst einmal ab. Nachdem er aber das Manuskript gelesen und es talentiert gefunden hatte, besann er sich eines Besseren, schrieb das Vorwort, das ihm mit edlen Weinen honoriert wurde, hielt in ihm aber, an dieser Stelle etwas ungewöhnlich, seine Kritik nicht zurück. Was er an ihm tadelte, galt nicht nur Hoffmann, sondern dem ganzen »jetzigen Kunstpantheon« , dessen Glanz nur das Eis der Gefühlskälte sei. »Ein Künstler kann leicht genug … aus Kunstliebe in Menschhass geraten und die Rosenkränze der Kunst als Dornenkronen und Stachelgürtel zum Züchtigen verbrauchen. … Die durch Kunstliebe einbüßende Menschenliebe rächt sich stark durch Erkältung der Kunst selber. … Liebe und Kunst leben gegenseitig ineinander, wie Gehirn und Herz, beide einander zur Wechsel-Stärkung eingeimpft.«
Hoffmann, der schon der Bevorwortung durch den berühmten Jean Paul nur widerwillig zugestimmt hatte, war mit Recht verärgert und verlangte, in den nächsten Auflagen seiner erfolgreichen Novellen das Vorwort wegzulassen, aber Kunz, der an die Reklamewirkung Jean Pauls glaubte, ging darauf nicht ein. Danach hatten die beiden großen Prosaisten nichts mehr gemein miteinander, lasen aber wohl die Werke des andern und äußerten sich gelegentlich abfällig über sie. So verurteilte Jean Paul 1821 in seiner Vorrede zur zweiten Auflage der »Unsichtbaren Loge« den »Kunst-Wahnwitz« von Hoffmanns »Morgen-, Mittag-, Abend- und Nachtgespenstern« und äußerte sich im selben Jahre im Gespräche mit Ludwig Rellstab ungünstig über Hoffmanns gesamtes Werk. »Er wiederholt sich selbst und steigert seine Ausartungen, so dass ich jetzt einen ordentlichen Widerwillen an seinen Büchern habe.« Dass diese Abneigung gegenseitig war, zeigte sich daran, dass Hoffmann in seinem satirischen Märchen »Klein Zaches genannt Zinnober«, ohne Jean Pauls Namen zu nennen, die Liane des »Titan« verspottete, die nicht nur in »somnambüles« Entzücken gerät und »ohnmächtelt« , sondern auch manchmal erblindet »als höchste Stufe weiblichster Weiblichkeit«.
Die zweite Begegnung mit einer Berühmtheit kam in Nürnberg zustande, nicht zufällig wie die mit E. T. A. Hoffmann, sondern schon seit Jahren geplant. 14 Jahre zuvor hatte der philosophierende Schriftsteller Jean Paul dem schriftstellernden Philosophen Friedrich Heinrich Jacobi einen Brief nach Eutin geschickt, der mit den Worten »Verehrtester Lehrer meines Innersten« begonnen hatte und die Einleitung zu einem bedeutenden philosophischen Briefwechsel geworden war. Im Laufe der Zeit war man zum vertraulichen Du übergegangen und hatte gemeinsame Projekte erörtert, aus denen dann aber nichts geworden war. Als nun im Juni 1812 die persönliche Begegnung in Nürnberg endlich stattfinden sollte, war die Erwartung groß. Jean Paul, der die Logier- und Bierfragen brieflich geregelt und die Mietkutsche für sich und seinen mitreisenden Pudel bestellt hatte, musste für Karoline aber noch in 15 Punkten notieren, was während seiner Abwesenheit zu beachten war. Mit »Täglich durchzulesen« ist dieser heute noch erhaltene Zettel überschrieben, der sie im zweiten Punkt anweist, dass die »schwarzeingebundenen Exzerpte« bei Feuer zuerst zu retten seien.
Während die Briefe, die Jean Paul aus Nürnberg an seine Frau schrieb, vorwiegend vom
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