Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Leben einer anderen: Roman (German Edition)

Das Leben einer anderen: Roman (German Edition)

Titel: Das Leben einer anderen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Maynard
Vom Netzwerk:
ineinanderfügten (in Kombination mit den Sonnenuntergängen am Meer, sagte George), inspirierte ihn erneut zum Songschreiben.
    Trotz seiner Kurse auf Tonband hatte George nie richtig Gitarrespielen gelernt, aber er saß dennoch einen ganzen Nachmittag auf der Veranda des gemieteten Strandhäuschens – in dessen winzigem Garten Val ein paar rosa Plastikflamingos aufgestellt hatte –, spielte Akkorde und entwickelte Melodie und Text für einen Song, den Val für ihn aufschrieb.
    »Ich hab in einer Bar einen Typen kennengelernt, der gute Kontakte in Nashville hat«, bemerkte George. Val und ich äußerten uns nicht dazu.
    George schickte das Tonband mit einem einzigen Blatt Papier, auf dem der Songtext stand, an jemanden, der an einem Ort namens Music Row tätig war.

Ruth
    Mondlandung
    M eine Kunstlehrerin hatte mir geraten, mich an der Kunstakademie in Boston zu bewerben. Ohne meiner Mutter etwas davon zu sagen, füllte ich die Unterlagen aus – zusammen mit denen, die sie abgesegnet hatte: für eine Schwesternschule in Manchester, die Universität, in der mein Vater und ich seinerzeit den preisgekrönten Bullen gesehen hatten, das Lehrerkolleg im Norden. »Du könntest Lehrerin werden«, sagte meine Mutter. »Bis du dann selbst Kinder hast.«
    Für die Bewerbung an der Kunstakademie musste ich eigene Arbeiten einreichen. Mein Vater half mir dabei, die Mappe zusammenzustellen. Er lieh sich von einem seiner Brüder eine Kamera, fotografierte die Bilder und brachte den Film nach Concord, um Dias anfertigen zu lassen.
    »Ich habe eine Idee, was wir mit den überzähligen Bildern machen könnten«, sagte er, nachdem er die Dias eine Woche später abgeholt hatte und wir sie uns anschauten. Meine Mutter war nicht zuhause, darauf hatten wir natürlich gewartet. »Du solltest ein paar an Val Dickerson schicken. Sie ist ja selbst Malerin, sie findet das bestimmt interessant.«
    Ich dachte damals, wir wüssten gar nicht mehr, wo Dickersons nun lebten, aber mein Vater hatte offenbar noch eine gültige Adresse.
    Als wir im April Erbsen und Spinat anpflanzten, traf der Umschlag aus Boston ein. Ich war an der Kunstakademie angenommen worden – und bekam sogar ein Stipendium. Auch die anderen Ausbildungsstätten hatten zugesagt, aber nun hatte ich einen guten Grund, nach Boston zu gehen.
    »Wir sagen es ihr beim Essen«, verkündete mein Vater.
    »Und wenn sie nicht einverstanden ist?«
    »Ich kann sie überreden«, erwiderte er.
    Im September würde ich also mein Studium an der Kunstakademie beginnen. In diesem Sommer jätete ich Unkraut auf den Erdbeerfeldern und arbeitete mehr als sonst auf der Farm, um mir das Geld für Bücher und Material zu verdienen – denn das war alles viel teurer als an gewöhnlichen Hochschulen, betonte meine Mutter.
    Den ganzen Sommer lang nahm ich mir nicht einen einzigen Tag frei. Sogar meine Mutter stellte erstaunt fest, dass ich mehr schuftete als meine vier Schwestern zusammen.
    Anfang August hielt ein Mann mit einem Motorrad vor unserem Verkaufsstand und fragte nach Käse – den wir auch tatsächlich im Angebot hatten wegen der Familie meiner Mutter in Wisconsin. »Ich brauch einen großen Laib«, sagte er. »Bin auf dem Weg nach Woodstock.«
    Ich hatte keine Ahnung, wovon der Mann redete. Da ich seit drei Monaten quasi nur auf der Farm arbeitete, hatte ich von der Außenwelt kaum etwas mitbekommen; lediglich von der geplanten Mondlandung hatte ich gehört. Ich kam mir vor, als hätte ich auf einem anderen Planeten gelebt, als der Mann mir von dem großen Musikfestival berichtete, das in einigen Tagen in Woodstock stattfinden sollte. Das größte und großartigste aller Zeiten, sagte er und begann die Musiker aufzuzählen, die dort auftreten würden. Nahezu jeder – bis auf mein Idol Bob Dylan.
    »Du bist etwa achtzehn, oder?«, sagte er. »Du solltest da hingehen. Eines Tages werden deine Enkel dich danach fragen, und dann kannst du sagen, du warst dabei.«
    »Würden meine Eltern mir nie erlauben«, sagte ich, als ich den Betrag für den Käse und eine Tüte Pflaumen, die ich morgens gepflückt hatte, in die Kasse eingab.
    »Schätzchen«, erwiderte der Mann. »Wenn du um Erlaubnis bitten musst, um nach Woodstock zu fahren, gehörst du da echt nicht hin.«
    Wir schlichen uns nachts aus dem Haus und fuhren von Concord aus mit dem Greyhound-Bus. Winnie kam mit. Normalerweise machten wir nicht solche Sachen zusammen, aber sie hatte gerade eine rebellische Phase und fand, dieser Ausflug sei

Weitere Kostenlose Bücher