Das Leben einer anderen: Roman (German Edition)
euch hier niederlassen würdet. Hier würden bestimmt sogar ein paar neue Kunden für ihn rausspringen.«
Mir fehlte das Leben auf dem Land, aber ich wollte unter keinen Umständen in der Nähe meiner Mutter leben.
Doch die Macht meiner Mutter, mir Verletzungen zuzufügen, war schwächer geworden, seit ich eine eigene Familie hatte. Obwohl ich immer noch das Gefühl hatte, von meiner Mutter – und von meinen Schwestern – niemals wirklich akzeptiert worden zu sein, machte es mir nicht mehr so viel aus.
Ich hatte nun selbst eine Tochter, die mir noch weniger ähnelte als ich meiner Mutter und meinen Schwestern. Und ich hätte Elizabeth gar nicht mehr lieben können, wenn wir blutsverwandt gewesen wären. Wie die Kaltherzigkeit meiner Mutter im Umgang mit mir zu erklären war, vermochte ich nicht zu begreifen. Aber ich hatte es nun auch aufgegeben.
Dana
Immer ein bisschen kompliziert
E ines Tages, nachdem ich das Schild »Geschlossen« rausgehängt hatte, hielt ein Wagen vor unserem Haus, und zwei ältere Frauen stiegen aus. Es ärgerte mich, dass sie das Schild missachteten; das Semester hatte nämlich noch nicht begonnen, und Clarice und ich hatten ausnahmsweise Zeit für uns.
Bei den beiden Frauen handelte es sich um Connie Plank und eine Freundin von ihr, die sie als Nancy vorstellte. »Ich habe gehört, dass du hier Ziegen züchtest«, sagte sie. »Und ich dachte mir, es wäre doch schön, mal vorbeizuschauen.«
Ihre Stimme klang irgendwie drängend, als erwarte sie etwas von mir, und ich hatte plötzlich Mitleid mit Val, die Connies Überraschungsbesuche so viele Jahre ertragen musste. Schon damals wirkte Connie immer, als wolle sie unseren Lebenswandel überprüfen.
»Ich muss eigentlich gleich weg«, sagte ich, weil ich Clarice nicht mit den unwillkommenen Besucherinnen bekanntmachen wollte. »Aber ich kann euch noch kurz durch den Garten führen, wenn ihr wollt.«
Zuerst zeigte ich ihnen die Erdbeerfelder, dann die Ziegen und unsere Käseproduktion, aber ich erzählte nichts von Edwins Erdbeerprojekt. Connie stellte nicht viele Fragen.
»Meine Eltern in Wisconsin waren Käsemacher«, sagte sie. »Ich nehme an, das wusstest du nicht.«
Mir war unklar, weshalb ich das hätte wissen sollen, und ich schüttelte den Kopf.
»Cheddar«, erklärte sie. »Mein Vater war eine Zeit lang einer der führenden Käsehersteller für Carr Valley. Meine Schwestern und ich haben im Betrieb mitgeholfen.«
»Interessant«, erwiderte ich und wünschte, sie würde endlich gehen.
»Ich kann Käse nicht ausstehen«, fuhr sie fort. »Allein der Geruch. Vermutlich mit unangenehmen Erinnerungen verbunden.«
Darauf fiel mir keine Erwiderung ein. Jetzt schaltete sich Connies Freundin ein.
»Das ist ja so eine spannende Geschichte«, sagte sie, »dass Ruth und Sie am selben Tag geboren sind. Es wäre doch schön, wenn wir uns mal zum Essen treffen könnten. Erinnerungen austauschen und so weiter.«
Was für Erinnerungen?, dachte ich, schwieg jedoch.
»Grüßt Ruth von mir«, sagte ich stattdessen.
»Ihr beiden habt immer so gern mit diesen Puppen von dir gespielt«, sagte Connie. »Obwohl ich ja finde, dass Mattel den Mädchen ein falsches Vorbild liefert.«
»Bei mir scheint das nicht gewirkt zu haben«, meinte ich und wies auf meine Latzhose und mein T-Shirt. Hätte ich die beiden schockieren wollen, hätte ich allerdings hinzufügen können, dass meine Lebensgefährtin sich manchmal wie Barbie zurechtmachte.
»Ach, ich finde prima, wie du aussiehst«, sagte Connie. »Erinnert mich ein bisschen an mich selbst, wie ich früher war.«
Das war keine erfreuliche Mitteilung.
»Ehrlich gesagt, glaube ich, dass meine Tochter zurzeit nicht gut auf mich zu sprechen ist«, fuhr Connie dann fort. »Sie kommt selten nach Hause.«
»Wahrscheinlich hat sie nur viel zu tun«, sagte ich. »Ich sehe Val auch nicht oft.« Obwohl ich Val vor allem aus anderen Gründen selten besuchte – und ich vermutete, dass es sich bei Ruth ähnlich verhielt.
»Du weißt ja, es ist immer ein bisschen kompliziert mit Müttern und Töchtern«, sagte Connie.
Ruth
Sie sieht die Dinge anders
I ch stattete der Farm einen kurzen Besuch ab, damit Elizabeth ihre Großeltern sehen konnte. Es fiel mir noch immer schwer, mich in der Nähe meiner Mutter aufzuhalten, aber ich wollte nicht, dass unsere Tochter ohne Großfamilie aufwuchs, und ich wusste, dass es ihr auf der Farm gefallen würde. Meine Mutter buk nachmittags Kekse mit Elizabeth, und ich
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