Das Leben in 38 Tagen
ging das ganz gut. Der
ältere freundliche Mann hinter dem Fenster schien heute den Umsatz seines
Lebens zu machen, denn er strahlte übers ganze Gesicht und gab sich alle Mühe,
das Richtige an Schinken, Käse, Wurst. Butter, Brot, Rotwein und so weiter
herauszusuchen.
Mit
unseren Schätzen setzten wir uns wieder in den Innenhof und stellten alles zum
Teilen auf den Tisch, nur die Franzosen wollten unbedingt etwas in der Küche
kochen. In dieser netten Runde schmeckte es doppelt gut und wir vermissten das
warme Essen nicht. Es gab interessante Gespräche und wir lachten viel. Als die
Franzosen uns dann später noch ihre Reste an Salat und Spaghetti hinstellten
und sich zu uns gesellten, wurde es richtig gemütlich. Wir saßen bis 23.00 Uhr
in der lauen Frühlingsnacht unter einem klaren Sternenhimmel draußen und
fühlten uns dabei wie die Eroberer der Welt! Schließlich gingen wir erst ins
Bett, als uns Mari, die auch eine Weile bei uns gesessen hatte, darum bat.
Es
war wieder einmal besonders schön, mit Angehörigen verschiedener Nationalitäten
unterschiedlichen Alters an einem Tisch zu sitzen, und ich war sogar ein
bisschen stolz, dass ich dem deutschen Ehepaar beim Übersetzen helfen konnte.
Und sie hatten tatsächlich wieder ein Problem! Zwar keinen Sonnenbrand, aber
die Ehefrau, welche Marlene hieß, war stark erkältet. Sie hustete, schnupfte
und schimpfte dabei, dass sie es selbst war, die die verrückte Idee mit dem
Jakobsweg gehabt hatte. „Nie wieder würde ich so etwas machen!“, sagte sie
immer wieder und ich konnte nicht verstehen, was sie sich denn vorher so
vorgestellt hatte. Ihr Mann hatte extra einen genauen Plan aufgestellt, nach
dem sie jeden Tag laufen wollten, aber seiner Frau war das nun zu viel und die
Schwägerin war auch immer noch verschollen!
Spätabends
kam dann doch eine SMS von ihr, dass sie sich am nächsten Tag in Logroño
treffen wollten, und so schien es wenigstens ein Problem weniger bei den beiden
zu geben.
Nach
einem langen und erlebnisreichen Tag lag ich glücklich und dankbar in meinem
frisch bezogenen Bett. Ich hatte die Engländerinnen wieder getroffen, was ich
mir gewünscht hatte, hatte von meinen Problemen in Englisch erzählen können,
war einen wunderbaren Weg mit ihnen gelaufen und hatte schließlich eine
gemütliche, saubere Herberge mit vielen interessanten Menschen gefunden, mit
denen ich einen lustigen Abend verbringen durfte. Was hätte ich mir mehr für
einen einzigen Tag wünschen können? Ich hatte den Eindruck, dass jeder Tag auf
dem Camino doppelt so lang wie ein Tag zu Hause ist und doppelt so viel Glück
bringt. Ob das so bleiben würde?
Madlen und Charlotte hatten
beschlossen, die folgenden Tage weiter mit mir zu laufen, und ich war sehr
erfreut darüber. Als nächsten Zielort hatten wir uns Logroño ausgesucht, eine
Großstadt von über 100.000 Einwohnern und etwa 21 Kilometer von Torres del Rio
entfernt. Die beiden erzählten mir, dass sie sich bald trennen müssten, da Madlen nicht so lange Urlaub bekommen hatte. Sie wollte von
Burgos aus, das noch etwa 130 Kilometer hinter Logroño liegt, nach Hause
fliegen und Charlotte sollte allein bis Santiago weiterlaufen.
Die
beiden planten, sich in Logroño nach Busverbindungen in Richtung Burgos zu
erkundigen, denn ihr Zeitplan ließ es leider nicht zu, dass sie die gesamte
Strecke bis Burgos zusammen laufen konnten. Sie wollten dann auf dem Weg
entscheiden, ab wann sie den Bus benutzen müssten, denn Charlotte hatte
beschlossen, erst ihre Freundin in Burgos zu verabschieden, bevor sie sich dann
allein auf den Weg machen würde. Man konnte bereits jetzt an ihrem Gesicht
ablesen, dass ihr das nicht einerlei war, und am liebsten wäre es ihr gewesen,
wenn ich mit ihr gekommen wäre. Aber ich wollte nicht fahren, bis jetzt
wenigstens nicht!
So
wollten wir auf dem Weg nach Logroño unser befristetes Zusammensein genießen. Nach
einer kurzen Steigung ging es fast nur geradeaus oder leicht abwärts, so dass
man einen herrlichen Blick bis hin zu den Bergen hinter Logroño hatte. Dort
konnte ich jetzt sogar einen schneebedeckten Gipfel ausmachen, den ich von nun
an nicht mehr aus den Augen lassen wollte.
9.
Viana und Logroño
Gerade
hatten wir doch erst die Pyrenäen hinter uns gelassen und nun sah man schon
wieder die nächste Bergkette, was neue zusätzliche Anstrengung versprach. Ich
konnte nur hoffen, dass es mit meinem Fuß nicht schlimmer werden würde, denn
ich wollte es unbedingt schaffen,
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