Das Leben in 38 Tagen
über die grünende und blühende Hügellandschaft mit den
schneebedeckten Bergen im Hintergrund erfreuen. Kurz vor der Stadt tauschten
wir unsere Informationen aus den verschiedenen Reiseführern aus. Dies war eine
ganz interessante Sache, denn überall gab es etwas Neues zu entdecken. Santo
Domingo de la Calzada hatte seinen Namen nach dem heiligen Domingo erhalten,
der hier im elften Jahrhundert ein Hospital und eine Brücke für die Pilger
erbauen ließ. Auch eine Pilgerherberge, in der heute ein Luxushotel
untergebracht ist, sowie die gotische Kirche, die zwischenzeitlich sogar
Kathedrale war, gehen auf sein Wirken zurück.
Berühmt aber wurde diese kleine Stadt durch
eine Legende, die sich hier zugetragen haben soll und aufgrund derer es in
dieser Kirche seit dem Mittelalter eine Besonderheit zu sehen gibt. In einem
schön verzierten schmiedeeisernen Hühnerkäfig sollen dort in einem Seitenschiff
der Kirche genau gegenüber dem Grab des Heiligen wirklich ein Hahn und mehrere
Hühner leben.
Dies geht auf eine der ältesten Legenden
des Jakobsweges zurück und weist auf die Betrügereien der Wirtsleute hin, denen
die Pilger zur damaligen Zeit ausgesetzt waren. In verschiedenen Quellen kann
man die folgende Geschichte nachlesen: „Als nämlich eine Familie im elften
Jahrhundert pilgerte, verliebte sich die Wirtstochter in den Sohn der Familie,
der sie aber abwies. Daraufhin versteckte sie einen silbernen Becher in seinem
Gepäck und zeigte ihn als Dieb an. Der ortsansässige Richter ließ den Jungen aufhängen,
doch als die Eltern gerade weinend weiterlaufen wollten, rief der Sohn nach
ihnen, und als sie sich umdrehten, sahen sie den heiligen Domingo unter ihm
stehen und ihn festhalten. Schnell liefen sie zum Richter, der gerade zwei
gebratene Hühner verspeiste, und erklärten ihm, dass der Sohn noch lebte. Da
sagte der Richter: ,Euer Sohn ist genauso tot wie die
beiden Hühner, die ich gerade esse!’ Und plötzlich flogen die zwei Hühner davon
und die glücklichen Eltern konnten mit ihrem Sohn weiterwandern.“
So
weit die Geschichte, die wir uns unterwegs
schon erzählten. Die Hühner sollen übrigens von der Bruderschaft des heiligen Jakobus im Hof einer Herberge gehalten und alle vier Wochen
ausgetauscht werden. Wenn man in der Kirche ist und der Hahn kräht, soll das
einen guten Pilgerweg bis Santiago bedeuten, also waren wir gespannt darauf,
was bei uns passieren würde.
Je näher wir dabei der Kathedrale und der
alten gepflasterten Pilgerstraße, die die ganze Stadt durchzieht, kamen, umso
mehr fühlten wir uns wie Wanderer zwischen den Jahrhunderten. Wir dachten an
die vielen Schicksale und Geschichten der früheren Pilger und so etwas wie eine
feierliche Andacht erfüllte uns, dass nun auch wir genau hier auf diesen
historischen Wegen liefen und damit zu der riesigen Schar der Pilger vor uns
gehörten.
Als wir kurz vor der Kathedrale angelangt
waren, glaubte ich auf einmal, meinen Augen nicht zu trauen. Wer stand da im
hellen Sonnenlicht auf dem Platz vor der Kirche? Madlen und Charlotte rannten schreiend auf mich zu: „Oh, Conny, hello ,
Conny, how are you ?“ Sie drückten mich und der rundlichen Charlotte liefen
die Tränen über die Wangen. Madlen erzählte mir, dass
Charlotte schon wegen mir geweint hatte und am liebsten wieder zurückgelaufen
wäre, weil sie sich Vorwürfe gemacht hatten, mich nach meinem Sturz allein
gelassen zu haben. Wie froh waren sie nun beide, mich gesund und munter wieder
zu sehen! Nur über mein entstelltes Gesicht schienen sie ziemlich bestürzt:
„Oh, what’s wong with your face ?“
„It’s much better today, it was not so bad“, beruhigte ich sie .
Ich freute mich ebenfalls sehr, die beiden
noch einmal zu treffen, und sie erzählten mir, dass sie gestern in Santo
Domingo angekommen waren und heute Mittag von hier aus mit dem Bus nach Burgos
fahren wollten. Wir drei beschlossen, die verbleibende Zeit zusammen zu
verbringen und uns als Erstes die Kirche mit dem Hühnerwunder anzusehen. Das
riesige dreischiffige Gotteshaus war von Pilgern bevölkert, aber kein Hahn
krähte für uns; Hahn und Hühner hatten wohl gerade Körner bekommen, denn sie
ließen sich von den vielen Menschen überhaupt nicht stören.
Eine Messe hier am Sonntagmorgen wäre mir
persönlich noch lieber gewesen, aber die sollte erst am Abend stattfinden. Dann
würde sicher auch der Hahn krähen!
So lange wollte ich mich jedoch nicht in
der Stadt aufhalten, obwohl es mir hier sehr gut
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