Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Leben in 38 Tagen

Das Leben in 38 Tagen

Titel: Das Leben in 38 Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Scheidecker
Vom Netzwerk:
Interessiert
beobachteten wir das lange Seidenband mit den unzähligen Raupen. Dabei fragte
ich mich, ob die Raupen hier überhaupt eine Futterquelle finden würden, denn
die Eichen hatten (noch?) keine Blätter. Das Ganze wirkte ein bisschen wie ein
Marsch verzweifelter Menschen, die vielleicht aus der Heimat vertrieben wurden
und immer noch zusammen einem Führer hinterherliefen, weil sie nicht wussten,
wohin, selbst wenn am Ende nur der Tod stand. Aber Stillstand bedeutet mit
Sicherheit den Tod, also gibt es keine andere Wahl als weiterzugehen, weder für
die vertriebenen Menschen noch für die hungernden Prozessionsspinner...
    Auf dieser kilometerlangen Hochebene
drängte sich mir im weiteren Tagesverlauf ein anderer Vergleich auf. Wenn man
den Camino von oben aus einem Hubschrauber betrachten würde, sah es hier
bestimmt auch fast wie eine Pilgerprozession aus, denn immer mehr Menschen, ja
ganze Wandergruppen kamen nun den Weg entlang. Es musste wohl ein gutes
Wandergebiet für die Spanier sein, denn diese machten die Gruppen mit ihren
Tagesrucksäcken heute aus. Da man den Weg oftmals lange einsehen konnte, hatte
ich manchmal das Gefühl, in einer Einkaufsstraße zu laufen und nicht auf einem
Pilgerweg. So viele bunte Rucksäcke vor und hinter uns! Da hätte ich mir
manchmal schon etwas mehr Einsamkeit gewünscht!

14.
Das Tal der ersten Europäer, Leo und Achim
     
    Wie würde das wohl erst im Sommer aussehen,
wenn man um ein Bett kämpfen musste! Die holländischen Hospitaleros in
Monjardín hatten erzählt, dass es dann nicht immer so brüderlich zwischen den
Pilgern hergehen würde und sogar Prügeleien keine Seltenheit wären! Davon hatte
ich mir bis jetzt keine Vorstellung machen können, aber vielleicht sah das ja
mit zunehmender Pilgerdichte ein bisschen anders aus?
    San Juan de Ortega hieß der nächste Ort nach
dem langen Marsch durch den Eichenwald. Er war nach einem Schüler des heiligen
Domingo benannt, der hier ein Kloster und eine Pilgerherberge errichten ließ.
Noch heute künden die imposante romanische Kirche mit dem Grabmal des Heiligen
im Inneren und die alte Klosteranlage mit ihrem riesigen Garten von dem Wirken
dieses einfachen Bauernsohnes. Der alte Pfarrer kocht heute noch selbst abends
für die Pilger Knoblauchsuppe mit Kräutern aus dem Klostergarten, um sein
Vermächtnis, für die Pilger zu sorgen, weiterzuführen. Leider zeigte uns die
verfallende Gartenmauer auch, dass es in Zukunft wohl immer schwieriger werden
würde, solche Traditionen zu erhalten.
    Auf dem sonnendurchglühten freien Platz
neben der Klosterherberge trafen wir Irene und Achim, einen fünfzigjährigen
Deutschen aus dem Ruhrgebiet. Die beiden saßen vor einer kleinen Bar und hatten
auf uns gewartet. Mit Kaffee und Cola löschten wir nun unseren Durst und
streckten unsere müden Beine aus. Zu Hause trank ich fast nie Cola, aber hier
avancierte ich fast zu einem Colafan . Man konnte
direkt spüren, wie sich damit der Energietank im Körper wieder füllte.
Herrlich! Leider musste ich auch hier wieder feststellen, dass die
Telefonzellen nicht funktionierten, ja, dass sie nicht einmal die Münzen wieder
herausgaben.
    Egal, so schnell ließ ich mich nicht mehr
erschüttern. Irgendwo würde es mit dem Telefonieren schon klappen, spätestens
in Burgos, das wir wohl morgen erreichen würden.
    Wir nunmehr fünf besprachen noch unser
heutiges Tagesziel, welches kurz vor Burgos liegen sollte und wo wir wieder
gemeinsam übernachten wollten, dann ging jeder wieder seine eigenen Wege.
    Nur Simone und ich saßen noch am Tisch, als
plötzlich ein bekannter französischer Akzent auftauchte: Jacqueline, die wir in
Ventosa kennen gelernt hatten und die sich so teilnahmsvoll um mich gekümmert
hatte, kam freudestrahlend auf uns zu und schaute mir prüfend in mein nun
regenbogenfarben schillerndes Gesicht: „ Hello , Conny, are you okay?“ Ich nahm die
Sonnenbrille ab und antwortete zu ihrer Zufriedenheit: „Oh, yes , it’s much better , thank you ,
Jacqueline!“ Da wir mangels Sprachkenntnissen nicht viel reden konnten,
umarmten wir uns einfach und dann zeigte uns die kleine Französin stolz ihre
neueste Errungenschaft: zwei Waschschwämme, für jede Schulter einen, damit der
Rucksack nicht so einschnitt. Was für eine prima Idee! „ From the Spanish people !“, sagte Jaqueline und wir lachten zusammen über
diese einfache Lösung der Schulterprobleme.
    Als schließlich immer mehr bekannte Pilger,
unter anderem auch das ältere

Weitere Kostenlose Bücher