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Das Leben in 38 Tagen

Das Leben in 38 Tagen

Titel: Das Leben in 38 Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Scheidecker
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Leo
sorgfältig seinen Rucksack packte, sein Holzfällerhemd und seine Kniebundhosen
anzog, seine Wanderschuhe schnürte und sich dann freundlich von mir
verabschiedete. Ich spürte einen kleinen Stich im Herzen, als er mir eine neue
Arbeit wünschte, die meinen Fähigkeiten entsprechen und mir wieder
Selbstbewusstsein und Lebensfreude bringen würde. Ich wünschte mir, etwas von
seinem Elan und seiner scheinbaren Leichtigkeit übernehmen zu können. „Buen
camino, Leo, es war sehr schön, dich kennen zu lernen, bleib so, wie du bist!“,
sagte ich aus meinem Bett heraus zu ihm. „Du auch, Conny, buen camino und hab
Vertrauen, du schaffst das!“, antwortete er, winkte noch einmal an der Tür und
entschwunden war wieder ein lieber Mensch aus meinem Leben.
    Vertrauen, immer wieder Vertrauen. Es ist
so schwer, zu vertrauen, wenn man schon oft enttäuscht worden ist. Aber
wahrscheinlich muss man Vertrauen ohne Erwartungen üben. Das ist die Kunst, so
wie auch Hape Kerkeling schreibt: „Erwartungen
verursachen Enttäuschungen.“ Und dann die Frage stellt: „Sind gleichgültige
Menschen glücklicher?“
    Ich glaube nicht, dass gleichgültige Menschen
glücklicher sind. Im Gegenteil! Da sie nicht so tief empfinden können (oder
wollen), spüren sie wahrscheinlich zwar den Schmerz, die Trauer, die
Enttäuschung, all die negativen Gefühle nicht so stark, aber dafür können sie
auch das Glück, die Freude, die Liebe, eben alle positiven Gefühle nicht so
sehr empfinden wie ein emotionaler Mensch.
    Allerdings weiß ich nicht, wie viel
Einfluss der Willen eines Menschen auf oder gegen die eigenen Gefühle haben
kann. Sicher ist das auch sehr unterschiedlich. Dabei spielen die Erlebnisse in
der Kindheit, das Erbgut und das Umfeld eine große Rolle. Das Kind lernt
unterschiedliche Reaktionen auf sein Verhalten kennen und kann entsprechend
dieser Erfahrungen sein Verhalten den gewünschten Reaktionen anpassen.
    So ergibt sich oft ein Verhaltensmuster,
welches sich so sehr einprägt, dass es auch im Erwachsenenalter beibehalten
wird und immer wiederkehrende Gefühle, Ängste oder Sehnsüchte erzeugen kann.
Wichtig ist, glaube ich, dass ein Kind immer die gleichen Reaktionen auf
gleiches Verhalten bekommt, damit es lernen kann. Herrschen in seinem Umfeld
Chaos und ständige unvorhersehbare Reaktionen, wird das Kind zwangsweise große
Probleme mit seinem Verhalten und seinen widerstreitenden Gefühlen bekommen.
Ein Kind braucht Liebe und sichere Grenzen, dann wird es auch im späteren Leben
mit Problemen fertig werden. Fehlt das in der Kindheit, wird der Mensch sein
ganzes Leben danach suchen oder er wird die Gefühle in sich vergraben und sich
bemühen, keine Erwartungen zu haben, um dem Schmerz der Enttäuschung zu
entgehen.
    Auf dem Weg nach Burgos gingen mir diese
Gedanken durch den Kopf, da man immer wieder in Gesprächen über Lebensprobleme
und deren Ursachen auf die Kindheit stößt und ich mit Simone gut über
Kindererziehung reden konnte. Sie hatte ja auch Kinderpflegerin gelernt und
daher einige Erfahrung im Umgang mit Kindern gesammelt. Allerdings legte sie
mir etwas zu viel Wert auf ihr Äußeres, was auch ein wichtiges Gesprächsthema
für sie war. So wusch sie sich etwa jeden Tag die Haare, und wenn das einmal
nicht möglich war, wurde der Kopf gleich mit einem Tuch umwickelt. Auch ihre
Wasch- und Kosmetiktasche hatte noch eine beträchtliche Größe, genau wie das
Gewicht ihres Rucksacks, obwohl es im Laufe des Weges schon deutlich geringer
geworden war. Aber zum Glück konnte ja hier jeder seine Prioritäten selbst
setzen und musste dann eben die Konsequenzen im wahrsten Sinne des Wortes auch
selbst tragen.
    Heute vor genau zwei Wochen hatte ich meine
Wanderung begonnen und bisher hatte ich fast 300 Kilometer zurückgelegt. Nach
so viel Sonnenschein in den letzten Tagen brachten die Wolken nun etwas Regen
und kühlere Luft, was eigentlich ideales Laufwetter bedeutete, aber meine Füße
hatten trotz der täglichen Verbände aufgescheuerte Blasen und schmerzten ganz
schön. Der Weg in die Stadt stellte sich, wie im Reiseführer bereits
prophezeit, als nicht sehr angenehm und schlecht ausgeschildert heraus. Dies
war auch ein Grund, warum ich nicht unbedingt allein nach Burgos laufen wollte.
Der Camino führte hier direkt am Flughafen vorbei, über eine große Baustelle
und schließlich auf hartem Beton durch endlose Industriegebiete.
    Eigentlich wollten wir uns das berühmte
Kartäuserkloster Miraflores ansehen,

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