Das Leben ist ein Kitschroman
Und tu mir bitte einen Gefallen: Lade keine Männer mehr für mich ein. Und wenn dir beim Rotary Club oder beim Golfen noch so passende Heiratskandidaten über den Weg laufen.«
»Na bitte. Du wirst ja wissen, was du tust«, sagte sie eingeschnappt. »Aber mach mir später keine Vorwürfe, wenn etwas schiefgeht. Ich habe dich rechtzeitig gewarnt!«
Gegen Mittag hatte ich bereits eine Menge erledigt: Ich hatte mit dem Makler telefoniert und den größten Teil meiner Klamotten gepackt. Jetzt wählte ich Luises Nummer, um alles Weitere mit ihr zu besprechen.
»Stell dir vor, ich habe schon für Montag früh einen Flug bekommen. Ist das okay für dich?« Luise sprach nicht, sie jodelte regelrecht vor Vorfreude.
»Wenn meine Mutter mich in der Zwischenzeit nicht kidnappen und ins heilige Elternhaus zurückschleppen lässt, müsste das klappen.«
»Das soll sie mal schön bleiben lassen«, sagte meine Freundin. »Was hat sie denn gegen meine Wohnung?«
»Sie hat Angst, dass ich auf die schiefe Bahn gerate. Die Georgenstraße ist für sie das Sodom und Gomorrha der Stadt und sie ist nicht im Geringsten amused, dass ich dort hinziehe.«
»Dass die Leute immer so verklemmt reagieren müssen«, rief Luise. »Dabei ist Sex doch eine der schönsten Sachen der Welt. Mein Gott, Charli, stell dir vor! In nur ... « Ich hörte sie leise zählen. »In 56 Stunden liege ich bestimmt schon mit Christian im Bett und wir ... «
»Wunderbar, Süße«, bremste ich sie, bevor sie sich in detaillierten Schilderungen erging. So viel Leidenschaft ertrug ich im Augenblick beim besten Willen nicht. »Aber wie organisieren wir es am einfachsten? Kann ich schon eine Fuhre zu dir hinbringen?«
»Na klar«, sagte Luise. »Und es wäre sinnvoll, wenn du mich heute Abend in die Garderobe begleitest. Dann stell ich dir die Kolleginnen vor und du weißt gleich, wie der Hase läuft.«
Als ich schwer bepackt mit zwei Riesentrolleys und einem Rucksack aus der U-Bahn stieg, war ich mit meinen Nerven am Ende. Dachte ich. Denn es kam noch schlimmer.
Kaum hatte ich alles auf die Rolltreppe gehievt, hörte ich eine bekannte Stimme hinter mir.
»Ja, hallo! Charlotte! Wie geht es Ihnen?«
Oh nein. Oh NEIN! Daniel Wiedemeier. Ausgerechnet jetzt.
Er strahlte mich an, als hätte er Glühbirnen gefrühstückt.
»Hallo!«, stammelte ich und spürte, wie meine Mundwinkel sich beim Lächeln verkrampften.
Warum wurde ich jetzt nicht einfach von einem schwarzen Loch verschluckt? Oder besser: Warum wurde er es nicht?
Aber leider passierte nichts dieser Art.
Herr im Himmel, mach, dass dieser Mann es heute extrem eilig hat, setzte ich nach, aber auch dieses Stoßgebet wurde nicht bearbeitet.
Daniel schien alle Zeit der Welt zu haben. Er stellte sich direkt hinter mich auf die Rolltreppe und textete mich zu. »Sie schrieben ja, dass Sie im Augenblick viel um die Ohren haben. Verreisen Sie noch mal, bevor der Ernst des Lebens richtig anfängt?«
»Nein, ich ziehe vorübergehend woanders ein.«
»Ich dachte, Sie ziehen in eine Eigentumswohnung?«
»Dachte ich auch, aber in dem Haus hat es gebrannt.«
»Ist nicht wahr!« Daniel beugte sich voller Mitgefühl zu mir vor. »Wie schrecklich! Gibt es etwas, das ich für Sie tun kann?«
Konnte ich nie einfach mal die Klappe halten?
Ich schüttelte den Kopf. »Danke, ich komme schon klar!«
Mittlerweile waren wir oben am Sternplatz angekommen.
»Also dann, tschüss!«, sagte ich betont munter und zog mein Gepäck Richtung Zebrastreifen.
»Nein, warten Sie!« Bevor ich bis drei zählen konnte, hatte Daniel mir den Griff von einem der Trolleys entwendet und stellte sich zu mir an die Ampel. »Wenn ich weiter schon nichts für Sie tun kann, helfe ich Ihnen wenigstens, das Gepäck in die neue Wohnung zu bringen.«
Erde an Himmel! Ich habe vorhin ein Stoßgebet abgeschickt und bitte um sofortige Erledigung!
»Das ist wirklich nicht nötig«, protestierte ich, aber er ließ sich nicht abwimmeln. Und so standen wir fünf Minuten später zusammen vor dem Eingang des Eroscenters.
Was sagt man in so einem Fall? Ich entschied mich für ein »Da wären wir«.
»Hier?« Wiedemeier glotzte auf die Tafel am Eingang, auf der, neben der Aufforderung hereinzukommen, einige Dienstleistungen verzeichnet waren. Die Auflistung erinnerte mich ein wenig an die Offerten einer Autowerkstatt. Nur, dass nicht für Ölwechsel, Inspektion und Feintuning geworben wurde, sondern für »geile Stellungen«, »erotische Massage« und
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