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Das Leben ist ein Kitschroman

Das Leben ist ein Kitschroman

Titel: Das Leben ist ein Kitschroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Benning
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meinen Eltern in der Oper gewesen, aber als wir das Foyer betraten, merkte ich, dass ich das Gebäude heute Abend ganz anders wahrnahm. Diesmal kam ich nicht als Gast, sondern um hier zu arbeiten. Auch wenn ich mir noch nicht sicher war, ob man das Hinhängen von Jacken und Mänteln als »Arbeit« bezeichnen konnte.
    »Da seid ihr ja!« Eine kleine drahtige Frau musterte mich über den Rand ihrer rosafarbenen Brille, die sie an einem Halskettchen befestigt hatte. »Und Sie sind also die Neue ... «
    Ich nickte und starrte fasziniert auf ihre Dauerwelle. Ein Friseur hatte es geschafft, ihre grauen Haare Löckchen für Löckchen exakt nebeneinanderzulegen, sodass es aussah, als wären sie in Stein gemeißelt.
    »Das ist Charlotte Bruckmann, Mechthild«, sagte Luise fröhlich. »Die dir am Telefon diese guten Rätseltipps gegeben hat.«
    »Soso. Die Scharlodde ... Mein Junge hatte mal was mit einer Scharlodde.«
    »Ja?« Das war doch schon mal eine positive Nachricht.
    »Aber dann hat sie ihn für einen anderen sitzen lassen. Von heut auf morgen.«
    So was nannte man schlechte Startbedingungen. Und meine Hoffnung, dass sie mich tatsächlich mit offenen Armen empfangen würde, löste sich augenblicklich in Nichts auf.
    »Oh, das tut mir leid!« Ich hoffte von ganzem Herzen, dass sich bei ihr kein Scharlodde-Kollektiv-Hass aufgebaut hatte.
    »Wie auch immer.« Mechthild stemmte beide Hände in die Seite und deutete mit einer Kopfbewegung auf die Kleiderständer im Hintergrund. »Haben Sie so etwas schon mal gemacht?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Aber ich bin mir sicher, dass ich das schnell lerne.«
    »Unterschätzen Sie das nicht«, brummte sie in einem Ton, der besagte, dass sie vom Gegenteil überzeugt war. »Bei dieser Arbeit muss man alle Sinne parat haben, sonst gibt's Chaos.«
    »Das glaube ich gerne«, sagte ich. »Entweder will jeder was und zwar sofort oder gar keiner.«
    »Richtig.« Mechthild schaute Luise an. »Und du haust bald zu deinem Schatz ab?«
    Luises Augen strahlten wie Scheinwerfer. »Ich fliege gleich Montagmorgen. Und wenn alles mit dem Flieger, dem Zug und der Fähre glattgeht, bin ich Dienstag bei ihm und dann wird erst mal...«
    »Ich kann es mir in etwa vorstellen«, sagte Mechthild. »Übertreib es nicht.«
    »Aaah, da ihst naie Frau für Kardarobe!« Bevor Mechthild ihrer Skepsis mehr Raum geben konnte, baute sich neben uns eine mollige Blondierte auf. So viel Herzlichkeit haute mich nach Mechthilds Vorstellung fast um.
    »Iieh bihn Olga. Und ich fraie miich!« Sie ergriff meine rechte Hand und schüttelte sie, als wollte sie Wasser pumpen. »Fraie mich sähr auf naie Kolläkin!«
    »Ich mich auch«, stotterte ich. »Und ich heiße Charlotte.«
    »Aaah! Scharrelotte!«
    Wenn meine Mutter hören würde, was man hier aus meinem Namen machte, wäre sie mit »Charli« sicher versöhnt.
    »Ja, Charlotte«, wiederholte ich, in der Hoffnung, bei einer von beiden die Aussprache noch etwas zu korrigieren zu können. Aber Olga hatte sich längst für ihre Version entschieden. »Ja, iich habe verstanden: Scharrelotte!«
    In diesem Augenblick hörten wir eine Gruppe laut plappernde Frauen näher kommen.
    Mechthild warf einen strengen Blick auf die Uhr an der Wand. »Es ist ein Kreuz mit diesem Theaterklub. Immer eine halbe Stunde zu früh.« Dann sah sie Luise an. »Aber vielleicht ist es ein gutes Training. Wie wäre es, wenn du nach Hause gehst und deine Sachen packst und ich zeige deiner Scharlodde, wie das hier abläuft.«
    Hallo? Es war ausgemacht, dass Luise mir die Einführung verpasst!
    »Eine gute Idee«, fiel mir meine Freundin in den Rücken. »Ich hole dich hinterher ab, okay?«
    Gar nichts war okay, aber ich nickte stumm.
    »Du wirst sehen, sie hat ein Herz aus Gold«, flüsterte Luise mir ins Ohr. »Sie braucht einfach ihre Zeit, um mit jemandem warm zu werden.« Und schon war sie verschwunden.
    »Mit der Hängung fangen wir hinten links an«, begann Mechthild. »Die Bons sind gerade alle und wir müssen uns mit den kleinen Aluschildchen behelfen.« Sie sah mich prüfend an, ob ich es bis dahin kapiert hatte.
    »Aluschildchen«, sagte ich bestätigend. »Alles klar.«
    »Der Gast kommt, legt das abzugebende Teil auf die Theke, Sie sagen ihm den Preis, kassieren das Geld, nehmen das Kleidungsstück, gehen nach hinten, nehmen eines der Schildchen vom freien Haken, hängen das Kleidungsstück hin, geben dem Gast das Schildchen und wünschen ihm einen angenehmen Abend.« Das Ganze

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