Das Leben ist ein Kitschroman
der kann was erleben!«
»Lasst ihn bloß nicht rein!« Schon der Gedanke, ihm so verheult unter die Augen zu treten, ließ mich völlig verzweifeln.
Ineke schüttelte den Kopf. »Keine Bange, das erledigen wir ganz anders.« Sie öffnete das Fenster zum Hof und lehnte sich hinaus. »Ja?«
»Hallo! Ich bin's, Carsten. Ist Charli schon da?«
»Ja, wieso?«
»Dann macht doch mal auf. Ich muss ihr was erklären!«
»Erklären?« Ineke sah mich kurz über die Schulter an und tippte sich an die Stirn. »Was gibt es denn da zu erklären?«
Plötzlich grinste sie. Ein Grinsen, das nichts Gutes ahnen ließ. »Warte mal kurz. Sie hat etwas für dich!«, rief sie. »Moment!«
»Was denn?« Andrea und ich sahen Ineke verdutzt an.
»Früher hat man diese Kerle geteert und gefedert.« Unsere Nachbarin nahm den großen wassergefüllten Suppentopf aus der Spüle und trug ihn zum Fenster. »Aber auch heute gibt es Wegen und Möglichkeiten.« Sie beugte sich wieder hinaus. »Kannst du fangen?«
»Ja klar«, hörte ich Carsten sagen. »Was ist es denn?«
»Das hier!« Ineke nahm den Topf und schüttete den Inhalt in den Hof.
Sie hatte wohl gut gezielt, denn Carsten schrie wie am Spieß. »Verdammte Scheiße! Bist du verrückt geworden? Ich bin klatschnass!«
»So fühlt man sich, wenn man van ein Kerl verarscht wird!«, rief Ineke wütend. »Hau ab! Wir wollen dich hier nie wiedersehen!«
22
Als ich am Montagmorgen die Augen aufmachte, dauerte es nicht lange und die Ereignisse des vorherigen Abends überrollten mich mit voller Wucht.
Es war vorbei.
Ich schloss die Augen und ließ die letzten zehn Tage an mir vorüberziehen. Es war wirklich von allem was dabei gewesen: Verzweiflung, Chaos, Überraschungen, Herzklopfen und große Gefühle. Doch jetzt lag ein Scherbenhaufen vor mir und ich würde einen mittelgroßen Bagger brauchen, um ihn zu beseitigen.
Nachdem ich mir einen Kaffee gekocht hatte, setzte ich mich an meinen Laptop, um nachzusehen, ob Luise geschrieben hatte. Schon merkwürdig, dass sie sich gar nicht meldete.
Auch heute kein Lebenszeichen von ihr und plötzlich fühlte ich mich richtig einsam: Die Kacke war am Dampfen und meine besten Freundinnen waren weit, weit weg.
Das Leben ist scheiße, Carsten ein Schwein und ich fühl mich mutterseelenallein.
Ich stützte den Kopf auf beide Hände. Warum konnte das Leben nicht einfach mal leicht und schön sein?
Warum? Warum? Warum?
Als ich die Augen aufmachte, fiel mein Blick auf die alte Pfauenfeder, die ich am Samstag für diese Tantra-Übung verwendet hatte. Ungeahnte Gipfel der Extase ...
Und schon brach ich wieder in Tränen aus.
Nachdem die größte Tränenflut versiegt war, rollte ich mich wieder ins Bett und zog mir die Decke über den Kopf.
Ich wollte nichts sehen und nichts hören. Punkt.
Andrea versuchte mehrmals, mich aus dem Bett zu locken, aber ich blieb, wo ich war. Und hatte nicht vor, das in den nächsten Tagen zu ändern. Die Welt da draußen konnte mich mal.
Ineke war da ganz anderer Meinung. Gegen sieben stand sie im Türrahmen und sah mich streng an.
»Ich weiß, dass du Liebeskummer hast, Charli. Und ich weiß, dass das schlimm ist. Aber du wirst dich jetzt was anziehen, denn wir gehen essen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Du kannst ja mit Andrea gehen«, sagte ich. »Ich kriege eh keinen Bissen herunter.« Um zu demonstrieren, dass damit alles gesagt worden war, drehte ich mich zur Wand.
»So fünksjoniert das nicht!« Ineke zog einen Stuhl heran und setzte sich neben mein Bett. »Diese Kerl ist ein Idiot. Aber das Leben geht weiter. Außerdem wird es höchste Zeit, dass du herausfindest, was du machen willst. Und der Lösung findest du nicht unter der Decke.«
Ich drehte mich auf den Rücken. »Es gibt keine Lösung. Ich werde die Wohnung hüten, bis Luise wieder da ist, mich mit dem Makler in Verbindung setzen, um zu erfahren, wie es mit meiner eigenen Wohnung aussieht und am 1. Juli bei Helmut Krause anfangen zu arbeiten.«
»Warum kaufst du nicht gleich ein Sarg!« Ineke verschränkte die Arme vor der Brust und sah mich verächtlich an. »Ich sehe der Grabstein schjon vor mir: Hier ruht Charlotte Bruckmann. Sie hat sich durch das Leben gequält, nun liegt sie endlich unter der Erde. Halleluja!«
Mit einem Ruck setzte ich mich auf. »Du hast gut reden!« Ich schlug die Decke zur Seite und schwang die Beine aus dem Bett. »Ich versuche ja, eine Lösung zu finden, aber wie soll ich denn eine finden, wenn ich keine Ahnung
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