Das Leben ist ein Kitschroman
ist denn eine Barry-White-Nummer?«
»Schwer zu beschreiben«, sagte ich. »Aber wenn es mit Ineke und Daniel so weitergeht, hast du vielleicht das Glück, mal eine live zu erleben.«
23
Das Aufwachen am nächsten Morgen gestaltete sich schon etwas freundlicher. Erst als ich nachmittags in der Fußgängerzone unterwegs war, glaubte ich, verrückt werden zu müssen: Wo ich hinschaute, überall sah ich verliebte, glückliche, sich küssende Paare!
Ich kannte dieses Phänomen bisher nur in einem anderen Zusammenhang. Vor einigen Jahren, als ich Angst hatte, schwanger zu sein, begegneten mir überall Frauen, die kurz vor der Geburt standen oder welche, die einen Kinderwagen schoben. Und sowohl damals wie heute war ich kurz davor, durchzudrehen.
»Leute, die verliebt sind, sollten Hausarrest kriegen«, brummte ich, als ich nach Hause kam. »Dieses widerliche Geknutsche in der Öffentlichkeit ist unerträglich!«
Andrea lachte. »Wenn ich dir das vor einigen Tagen erzählt hätte, wärst du mir ganz schön aufs Dach gestiegen.« Er hielt eine Schweinelende hoch. »Was ist? Hilfst du mir beim Kochen oder kultivierst du lieber deine schlechte Laune?«
Ich seufzte. »Wie du meinst. Aber beschwer dich hinterher nicht, wenn ich es verbocke.«
Andrea kam mit dem Rezept zum Esstisch. »Wichtig ist, dass du deine Komplexe mal vor die Tür setzt und dir nicht pausenlos einredest, dass du das sowieso nicht kannst. Schau mal!« Er zeigte auf ein Farbfoto und mir lief spontan das Wasser im Mund zusammen.
»Das gibt es heute Abend?«
Er nickte. »Eine Bio-Schweinelende in Blätterteig mit einer Farce aus Schinken, Champignons, Zwiebel und Knoblauch und einer Wirsingschicht.« »Und was kann ich da zum Gelingen beitragen?« »Du könntest zum Beispiel den gekochten Schinken, die Zwiebeln, die Champignons und den Knoblauch fein würfeln. Ich zeige dir, wie das am einfachsten geht.« Und schon ging es los.
Andrea hatte recht: es klappte! Ich schnitt Zwiebeln, als hätte ich mein Lebtag nie etwas anderes getan, und eine gute halbe Stunde später hatte ich meine erste Aufgabe gemeistert.
»Siehst du?«, sagte Andrea. »Alles gar kein Problem. Jetzt könntest du die Wirsingblätter blanchieren.«
Ich muss ihn wohl ziemlich dämlich angesehen haben, denn er begann zu lachen. »Blanchieren bedeuten, kurz ins heiße Wasser geben und dann kalt abschrecken.«
Aha. Fragte sich nur, wie ich das mit diesem großen Kohlkopf anstellen sollte. Wurde der im Ganzen ins heiße Wasser geworfen oder vorher in Scheiben zerlegt?
»Die Blätter kommen einzeln hinein.« Andrea zeigte mir mit Engelsgeduld, wie man das Problem löste, und allmählich machte mir die Sache richtig Spaß.
»Bei uns zu Hause hatte ich nie die Chance, so etwas zu lernen«, erzählte ich, während ich die Rippen der Wirsingblätter herausschnitt. »Wir hatten immer eine Köchin und die war alles andere als begeistert, wenn meine Schwester und ich in der Küche auftauchten. Da wurden wir sofort wieder hinausgeschickt.«
»Du Arme.« Andrea meinte es ernst. »Dabei ist Kochen so eine kommunikative Sache. Und Essen erst recht.«
»Na, vielleicht wohnen wir ja noch eine Weile zusammen. Dann kannst du mir noch das eine oder andere beibringen.«
Die blanchierten Blätter lagen gerade ausgebreitet auf dem Küchenkrepp, als mein Handy sich meldete. Ich starrte auf das Gerät, das sich vibrierend über die Tischplatte bewegte, als wäre es ein giftiges Insekt.
»Jetzt geh schon ran. Das Gedudel nervt!«, rief Andrea.
Ich linste auf das Display. Immerhin nicht Carsten. Aber meine Mutter.
»Hi, Mama!«
»Charlotte, du meldest dich ja gar nicht mehr. Geht es dir gut?«
Ging es mir gut? Wenn man von meiner Gesamtsituation mal absah, konnte ich mich in diesem Augenblick nicht beschweren.
»Ja, ich mache gerade eine Lende in Blätterteig.«
»Du machst eine was?«
»Lende in Blätter-teig.« Noch mal ganz langsam für alle Mütter zum Mitschreiben.
»Seit wann kochst du?«, fragte sie fassungslos.
»Ich lerne es gerade«, sagte ich wahrheitsgemäß.
»Ach.« Jetzt war sie platt. »Aber warum ich anrufe: Theresa bekommt einen kleinen Jungen!«
Der lang ersehnte Stammhalter! Jetzt war meine Schwester endgültig in den Mutter-Olymp aufgestiegen. »Das ist ja schön! Wann kommt der Kleine zur Welt?«
»Im Dezember.« Meine Mutter klang so stolz, als hätte sie die Befruchtung persönlich gemanaged. »Und rate mal, wie er heißen wird.«
Pffff. Bevor D-D geboren wurde,
Weitere Kostenlose Bücher