Das Leben ist ein Kitschroman
Du kannst den Ton der Mails einfach übernehmen.«
»Aber spätestens am Telefon werden die doch merken, dass es nicht mit rechten Dingen zugeht.«
»Ich habe noch nie mit denen telefoniert.«
Mir schwirrte der Kopf. »Und wenn ich nicht gut genug bin?«
»Charli, wir haben noch ein paar Tage. Ich habe einige Story-Entwürfe auf der Festplatte gespeichert, da kannst du dich bedienen. Und in diesem Schränkchen neben dem Esstisch liegen jede Menge Belegexemplare, die du dir mal durchlesen kannst. Ich schreibe da unter dem Pseudonym Jessica Peters. Bitte, Charli! BITTE!«
Ich holte tief Luft. »Gib mir bitte eine Nacht, um drüber zu schlafen, okay?«
»Okay. Ich rufe dich morgen Vormittag noch mal an.«
»Wer war das denn?« Gespannt sahen Ineke und Andrea mich an. »Luise. Das Internet hat da draußen den Geist aufgegeben und jetzt soll ich für sie bei diesem Schreibjob einspringen.«
»Schreibjob?« Inekes Brauen erreichten ungeahnte Höhen. »Welche Schreibjob?«
Ich bückte mich, holte ein paar Zeitschriften aus dem Schränkchen und legte sie auf den Tisch. »Dieser Art.«
»Die Goldene Post? « Sie sah mich verdutzt an. »Echo der Gefühle? Für diese Blätter schreibt Luise?«
»Sieht ganz so aus.« Ich nahm eine Ausgabe von Die Goldene Post und blätterte, bis ich gefunden hatte, was ich suchte. »Da, Jessica Peters. Das ist das Pseudonym, unter dem sie diese True Stories schreibt.«
Ich lehnte mich zurück und schloss die Augen. Willkommen im neuen Leben von Charlotte Bruckmann! Hier wird nicht nur von Wahnsinn gesprochen, nein, hier wird der Wahnsinn mit all seinen Facetten gelebt? Und zwar rund um die Uhr, wir sind täglich für Sie da!
»Und jetzt sollst du in ihr Namen solche Storys schreiben?«, rief Ineke. »Das ist doch eine große Chance!«
Wie bitte? »Ineke, ich habe dir gestern schon gesagt, dass ich nicht schreiben kann. Und wenn Luise diesen Job tatsächlich behalten will, sollte sie schleunigst einen anderen fragen. Die Redaktion wird bereits nach den ersten Sätzen die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und merken, dass da ein Vollidiot am Werk war. Sie werden Luise nie wieder einen Auftrag zukommen lassen und mich auf Schadenersatz verklagen!«
War das so schwer zu verstehen?
»Ich kann nur wiederholen, was ich dich gestern schon gesagt habe: Manchmal kommt der Lösung aus eine ganz andere Ecke, als man denkt.«
»Zeig mal her.« Andrea setzte sich zu uns an den Tisch und blätterte die Seiten durch. »Oh, hier ist was Hübsches: Echte Liebe überwindet alle Hürden«, las er vor. »Letztes Wochenende war ich auf einer Party eingeladen gewesen. Ein schönes Fest, aber ... es war, als ob ich ein Loch im Herzen hatte. Instinktiv wusste ich, dass ich etwas vermisste.« Er sah mich an. »Also echt, das kriegst du doch locker hin!«
Ich ließ mich auf den Stuhl sacken und schlug ebenfalls eine der Illustrierten auf. »Leute, das ist der letzte Schwachsinn. Hört euch das mal an: Du willst also allen Ernstes behaupten, dass du nicht gemerkt hast, wie Patrick mit dir geflirtet hat?
Wie? Wovon redest du? Patrick ist völlig verrückt nach seiner Frau!
Leo schüttelte langsam den Kopf. Nein, das glaube ich nicht. Er hat dich in einer Tour angestarrt!
Nun begann ich zu lachen. Schätzchen, du siehst Gespenster. Er war einfach nur freundlich zu mir.«
Ich sah Ineke und Andrea an. »Ihr glaubt doch nicht im Ernst, dass ich mir so was aus den Fingern saugen kann, oder?«
Andrea zuckte die Schultern. »Warum nicht? Es ist ja nur für kurze Zeit, bis Luise wieder übernehmen kann. Und Inspiration hast du hier genug.«
»Aber ich kann nicht schreiben! Kapier das doch endlich!«
Andrea lachte. »Das hast du in puncto Kochen auch behauptet. Du warst fest der Überzeugung, dass du nicht mal in der Lage bist, eine Zwiebel fein zu würfeln. Und was war? Du hast alles mit links gemacht!«
Ineke schielte in die Küche. »Apropos Essen: Vielleicht sollte man, bevor wir weiterdiskutieren, das Essen aus der Röhre nehmen. Es ist schjon ziemlich lange drin.«
Das Essen schmeckte nicht nur köstlich, es sah auch toll aus. Andrea schnitt die Blätterteigrolle an und legte uns eine Scheibe auf den Teller. Außen war der knusprige Teig, dann kam eine dünne Schicht Wirsing, die Farce aus Zwiebeln, Champignons, Schinken und Knoblauch, die wir nach dem Anbraten mit Crème fraîche verfeinert hatten, und in der Mitte ein Stück rosa gebratene Lende. Dazu eine Portion Kartoffelgratin, einfach
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