Das Leben ist eine Oeko-Baustelle
zu essen, selbst wenn es das eigentlich nicht will?«
»Nein«, sagt Gola. »Wenn kleinen Kindern Fleisch nicht schmeckt, sollte man es immer wieder in verschiedenen Varian ten anbieten. Wenn aber Schulkinder kein Fleisch essen wollen, sind das meist keine Geschmacksfragen, sondern bewusste Entscheidungen. Meist geht es um das Töten oder die Haltung der Tiere. Kinder, die das nicht wollen, haben ein Recht darauf, dass man sie ernst nimmt; sie müssen kein Fleisch essen.«
»Was macht man, wenn man sich um ihre Gesundheit sorgt?«
»Da sind wir wieder am Anfang unseres Gespräches: Wissen am besten gemeinsam mit dem Kind erwerben und diskutieren, um ein wirklich guter Vegetarier zu werden und nicht einfach nur ein Puddingvegetarier.«
Puddingvegetarier ernähren sich zwar fleischfrei, kümmern sich aber ansonsten nicht weiter um die Ernährung.
»Und Sie müssen natürlich das Kind beobachten: Wächst und gedeiht es, ist es belastbar, ist es infektanfällig? Man kann auch mal Rücksprache mit dem Kinderarzt halten, der das Kind ja kennt. Wenn ein Kind Fleisch ablehnt, kann man das durch Milch, Käse, Eier und Fisch gut ausgleichen.« Als Faustregel gelte: Zu jeder Hauptmahlzeit am Tag wenigstens ein tierisches Produkt: »Also Fisch oder Fleisch oder Ei oder Quark oder Käse.«
Vegane Schwangerschaften und Kinder vegan aufzuziehen hält sie für sehr problematisch.
»Vegan ist nichts für Kinder. Vegan bedeutet den Verzicht auf Eier, Milchprodukte, Käse, Fisch, Fleisch, Honig. Ich würde sogar so weit gehen und sagen, es ist auch nichts für Erwachsene, wenn diese nicht gleichzeitig bereit sind, Nahrungsergänzungen zu nehmen. Je vielfältiger die Nahrung ist, desto sicherer ist die Versorgungssituation für einen Heranwachsenden, ohne dass man sich groß Sorgen machen muss.«
Ich bin etwas verwirrt: Heißt das nun, dass Kinder Fleisch brauchen oder kein Fleisch brauchen?
Es heißt für Ute Gola: Man muss sich weder mit Fleisch noch ohne Fleisch ungesund ernähren. »Die Weltgesundheitsorganisation definiert Gesundheit als Abwesenheit von Krankheit. Wenn wir das als Kriterium nehmen, brauchen wir als Erwachsene kein Fleisch und nach der Kleinkindphase, also als etwas größeres Kind, auch nicht.«
Ernährung müsse den Bedarf decken, den der Körper hat, damit man sich physisch und psychisch leistungsfähig fühlt. Ihre Empfehlung: Auf jeden Fall bis zum Schulalter immer wieder kleine Fleischmengen anbieten. Danach ist es verhandelbar.
»Fleisch ist so etwas wie ein Sicherheitsnetz. Wenn man es isst, wird der Speicher für bestimmte Vitamine wie A oder B12, aber auch für Eisen, Selen und Zink nicht so schnell leer.«
Gola spricht von einer unideologischen und »gesunden Flexibilität« von Kindern.
»Einige bezeichnen sich als Vegetarier, lassen sich aber gern mal Würstchen schmecken und holen sich damit, was sie vermutlich gerade brauchen. Eltern sollten das so stehen lassen.«
Gola trifft in ihrer Arbeit zwangsläufig auf Menschen mit Ernährungsproblemen.
Ihre Erfahrung ist, dass selbst auferlegte Essverbote manchmal auf Essstörungen hinauslaufen. »Viele Störungen drücken sich über verändertes Essen und rigorose Verbote aus. Das gab es früher nicht so häufig.« Sie liebt daher »spontane Esser«, die ihre Lust auf vielfältiges Essen nicht rational unterdrücken. Genau das sei auch der Grund, warum sie den völligen Fleischverzicht nicht für alle Menschen passend findet: Dann nämlich, wenn da zu viel Vernunftgründe im Spiel sind und dies bei manchen Menschen mehr Ängste als Energien freisetzt.
Die richtige Frage sei – und das auch unter ökologischen Gesichtspunkten: Wie viel Fleisch? Aber gesunde Ernährung nur an der Fleischmenge zu messen führe auf den Holzweg. Menschen seien Mischköstler und sollten überwiegend pflanzliche Nahrung wie Gemüse, Obst, Getreide, Hülsenfrüchte und Nüsse essen, kombiniert mit tierischen Produkten. Ihre Empfehlung: für Kinder zwei- bis dreimal Fleisch die Woche und ein- bis zweimal Fisch.
Und Erwachsene?
Sie zitiert World Cancer Research : Dort empfiehlt man, 500 Gramm Fleisch pro Woche für Erwachsene, die regelmäßig Fleisch essen, nicht zu überschreiten. Das sind drei kleine oder zwei große Steaks.
Das wären 25 Kilogramm im Jahr. Also weniger als ein Viertel vom gegenwärtigen deutschen Schnitt. Sie erzählt von einer Studie, die zeige, dass inkonsequente Vegetarier die beste Er nährung haben. Interessant: Also praktisch Menschen wie
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