Das Leben ist eine Oeko-Baustelle
Kinder fleischlos aufwachsen zu lassen. »Nach Ihrer These stellt er damit Klimawandel und Massentierhaltung über das, was seine Kinder brauchen?«
»Das muss jeder selbst entscheiden. Ich gehe davon aus, dass er seine Kinder durchdacht und gesund ernährt, wenn auch ohne Fleisch. Das muss ja keinen Dogmatismus einschließen.«
Das klingt nach einem Aber. »Aber?«
»Die Frage für mich dabei wäre: Habe ich als Erwachsener das Recht, Kinder, die von mir abhängig sind und unter Umständen sogar gern Fleisch essen würden, zu zwingen, auf Fleisch zu verzichten?«
»Sie betrachten es als Egoismus, Kinder vegetarisch aufzuziehen?«
»Nein, so weit würde ich Ihnen nicht folgen. Es gibt Familien, die seit Generationen auf Fleisch verzichten, ihre ganz speziellen Ernährungsgewohnheiten und Rezepte darauf ausgerichtet haben und gesund leben. Wir wissen auch heute noch viel zu wenig über familientypische Ernährungsgewohnheiten und die Stoffwechselmuster dahinter. Früher gab es im ländlichen Raum Familien, die ein spezielles, familientypisches Essen praktizierten, dazu gehörte etwa Milchverzicht. Wenn die das über Generationen machten und alle alt wurden, dann war das kein Opfer, sondern ein gutes Gespür, weil vielleicht in dieser Familie Laktasemangel häufig vorkam und milchhaltige Speisen deshalb Beschwerden verursachten. Fleisch ist historisch in Europa ein hoch geschätztes, meist limitiertes Nahrungsmittel gewesen, das die Sicherheit in der Ernährung erhöht hat. Immer dann, wenn ich so etwas Bewährtes verändere, muss ich fragen: Ist es sinnvoll und habe ich das Recht dazu, das auch von anderen zu verlangen? Wo grenze ich mich in Zeiten des Überflusses und der Massentierhaltung ab?«
Ute Gola erzählt, dass sie seit Neuestem wieder Schweinebraten isst. Eine Familientradition, die sie aufgegeben hatte.
»Warum aßen Sie das nicht mehr und essen es jetzt wieder?«
»Ich komme aus einer Familie, in der Schweine Namen hatten. Als Kind habe ich gern Schweinefleisch gegessen. Dann habe ich über Massentierhaltung gelesen. Irgendwann mochte ich den Geschmack nicht mehr und habe es aufgegeben. Jetzt habe ich einen landwirtschaftlichen Betrieb gefunden, der Schweine so großzieht, wie ich es akzeptieren kann.«
»Das ist dann eine Rückkehr, aber zu einer Kultur der Schweineaufzucht jenseits von Massentierhaltung?«
»Ich habe das Gefühl, es ist in Ordnung, und ich finde plötzlich den Geschmack meiner Kindheit wieder. Es ist ein unheimlich schönes Gefühl.«
Muss man ein Gutverdiener sein, um sich gut ernähren zu können?
Ute Gola sagt: »Man muss Bildung und konkretes Wissen haben. Das eine hängt mit dem anderen oft zusammen. Wenn man Naturprodukte kauft, Gemüse, Kartoffeln, Eier, Milchprodukte, Quark, Brot, dann kann man sich preiswert ernähren. Aber man muss kochen können und man braucht Kocherfahrung, am einfachsten aus der eigenen Familie. Es ist ein großer Vorteil, wenn man Vorfahren hat, die einem gezeigt haben, was regionale und saisonale Produkte sind und wie man damit kocht. Dass man sich zum Frühstück, zu Mittag und zu Abend hinsetzt, dass es schön ist, zusammen zu essen, weil es alle entspannt.«
Dreimal am Tag zusammen hinsetzen? »Wer kann bei zwei Berufstätigen oder als Alleinerziehende dreimal am Tag als Fa milie am Tisch sitzen? Selbst die Kinder sind ja mittags nicht da.«
»Stimmt. Die Rituale verändern sich, aber es gibt sie noch: Es wird nicht mehr dreimal am Tag gegessen, es wird nicht jedes Mal der Tisch gedeckt, aber wichtig ist, dass Eltern und Kinder zusammensitzen und das Verbindende von gemeinsamem Essen erleben, ohne dass das überfrachtet wird.«
»Was meinen Sie mit Überfrachtung?«
»Soziale Schichten differenzieren sich zunehmend. Es gibt Menschen, die überhaupt nicht mehr kochen. Aber es gibt in einer breiten Mittelschicht auch einen Teil, in dem zu großer Wert auf ›richtiges Essen‹ gelegt und zu viel Ideologie da hineinprojiziert wird.«
Sie kommt während des Gespräches immer wieder auf die Familie als Wert zurück. Das scheint der Kern ihres Ansatzes zu sein.
»Es ist wichtig, dass Kinder zu Hause Rituale kennenlernen, gerade auch beim Essen. Sie brauchen Leitlinien, die aus unserer Erfahrung stammen. In der Pubertät wird dann oft alles wieder infrage gestellt oder abgelehnt. Wenn Kinder dann erwachsen sind, werden viele Dinge dankbar erinnert. Familienrituale stabilisieren das ganze Leben. Wenn man als Erwachsener versucht, sein
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