Das Leben ist eine Oeko-Baustelle
Massentierhaltung und die Bekämpfung des Klimawandels ist er nicht relevant.
Was dagegen einen großen Unterschied macht: wenn 100 Millionen Fleischesser ab sofort jede Woche nur noch halb so viel Fleisch essen wie bisher.
Foers Lesungen sind voll mit jungen Menschen, die ihm immer wieder sagen, dass sein Buch ihr »Leben verändert« habe. Die Schauspielerin Natalie Portman war 20 Jahre lang Vegeta rierin. Tiere essen , schrieb sie in der Huffington Post , habe aus ihr eine Veganerin und Aktivistin gemacht. Als er am Abend nach unserem Gespräch in Berlin auftritt, müssen sie ihn per Leinwand in einen zusätzlichen Saal übertragen, so brechend voll ist die Veranstaltung. »Der Protest gegen Massentierhaltung ist zum Thema einer Generation geworden, die nach Abgrenzung sucht«, schreibt die FAZ über die Veranstaltung. Und zwar sei es nicht nur Abgrenzung gegenüber den profitorientierten Unternehmen, sondern auch Abgrenzung gegenüber den eigenen Eltern, die viele Jahre keine Fragen bei ihren Konsumentscheidun gen gestellt hätten und gedankenlos durch den Supermarkt marschiert wären, obwohl die Probleme und die Zusammenhänge offensichtlich waren.
Glaubt Foer an eine neue Generation »guter« Menschen, die nun entschlossen politische und konsumistische Verantwortung übernimmt?
Na ja, sagt er, es gebe zumindest Gründe, Hoffnung zu haben. Er zählt sie auf: 18 Prozent der US-amerikanischen Collegestudenten seien Vegetarier, das seien mehr als Katholiken. Und die Tierschutzorganisation PETA (People for the Ethical Treatment of Animals) sei die Organisation, für die Collegestudenten am liebsten freiwillig arbeiten würden; noch vor dem Roten Kreuz. Die Studierenden seien also sehr interessiert, aber: »Vielleicht essen sie nach dem Uniabschluss auch wieder jede Menge Fleisch? Ich weiß es nicht.«
Er glaubt nicht, dass die Fleischfrage eine Frage von Gut oder Böse ist.
Keiner verlange ja bewusst das Böse. »Es ist ja fast unmöglich, zuzusehen, wie so ein Tier gemartert wird, und dabei gleichgültig zu bleiben. Es ist auch schwer, richtig explizite Umweltzerstörung zu ignorieren. Das heißt: Man kann es ignorieren, aber alle unsere Instinkte – und das sind Instinkte, die den Menschen gemeinsam sind – sagen uns, dass es schlecht ist.«
Worauf er hinauswill: Vegetarier und Fleischesser sind nicht durch einen ideologischen Graben getrennt. Sie denken und empfinden im Grundsatz ähnlich.
»Ich denke nicht, dass Fleischesser die Umwelt zerstören wollen oder grausam zu Tieren sein wollen. Der Unterschied liegt im Handeln. Er besteht darin, dass Fleischesser nur zu einem bestimmten Grad so handeln, wie sie denken.«
»Warum ist der Schritt vom Denken zum Handeln so schwer?«
»Gebratenes Fleisch riecht gut und schmeckt gut. Wir sind dran gewöhnt, es ist bequem, unsere Eltern und Großeltern haben uns Fleisch zu essen gegeben. Es ist verknüpft mit speziellen Erinnerungen an unsere Familie oder Kindheit. Es ist also viel verlangt, sich zu ändern.« Außerdem würden die Leute belogen und manipuliert, zu denken, dass das Fleisch von schönen, netten Farmen komme.
Aber es gibt eben auch einen Bereich des Fleischessens, an den man schwer herankommt. »Sogar Leute, die gerne moralisieren oder kontroverse Debatten führen, werden bei diesem Thema richtig seltsam«, sagt Foer. »Ich war neulich mit einem Freund und einem seiner Freunde aus. Ich kannte ihn nicht, merkte aber schnell, dass er ein kluger und politisch denkender Mensch war. Und dann sagte mein Freund: ›Jonathan ist Vegetarier.‹
Da antwortete der Freund meines Freundes: ›Na ja, ich esse nur Dinge mit einem Gesicht.‹
Wir schauten uns an. Später sagte mein Freund zu mir: ›Wie seltsam. Wo kam das nur her?‹
Das war nicht nur ein Witz, das war auch aggressiv. Er fühlte sich durch das Wort Vegetarier angegriffen. Die Fleischfrage kann schlechte Dinge aus Leuten herauskitzeln. Und das muss nicht sein.
Es geht nicht darum, ein Tabu zu brechen, sondern darum, neu zu formulieren, wie wir über Fleisch und kein Fleisch sprechen.«
Ich frage ihn noch mal, ob er glaubt, dass es einen Fortschritt geben wird, weil mehr Menschen verantwortungsbewusst handeln.
Er nickt. »Es mag frustrierend langsam sein. Aber wie Martin Luther King sagte: Der Bogen des moralischen Universums ist weit, aber er neigt sich zur Gerechtigkeit.« Dieser Satz des 1968 ermordeten US-amerikanischen Bürgerrechtlers (»The arc of the moral universe is long, but it
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