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Das Leben ist eine Oeko-Baustelle

Das Leben ist eine Oeko-Baustelle

Titel: Das Leben ist eine Oeko-Baustelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Paul
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Mann, einmal mit der Firma.
    Sie sagt: »Was bringt es, wenn ich nicht fahre?« Oder: »Ich fahre Ski, und du fliegst zum Drehen irgendwohin …«
    »Das ist was anderes, das ist mein Beruf.«
    »Na ja, dann fahr mit dem Schiff.«
    Für sie ist Skifahren nun mal das Schönste überhaupt. Es ist verständlich, dass sie die Argumente bevorzugt, die dafür sprechen.
    »Die Menschen waren ja früher ziemlich arme Bergbauern. Und jetzt haben sie diesen Tourismus. Die Täler wären sonst schon längst menschenleer.«
    Selbstverständlich hat der Winter- und Skitourismus in den Alpen und in anderen Skigebieten eine wichtige ökonomische Funktion. Millionen Menschen leben davon. Ich will auch gar nicht schwärmen von einer guten, alten Zeit, als die Menschen in den einsamen Tälern glücklich mit der Natur lebten; viele waren bettelarm, so lustig war das sicher nicht.
    Der Tourismus hat die Orte und Täler komplett verändert. Die Bauern wurden Dienstleister im Tourismusgewerbe, die Wiesen wurden verkauft, die Landschaft wurde bebaut mit Liften, Seilbahnen und Hotels, die Verkehrsbelastung ist enorm. Die Orte sind in der Hand der Touristen, Folklore und Kitschkulisse sind längst ineinander verschmolzen.
    Und dann auch noch der Klimawandel. Die Erderwärmung verschiebt die 0-Grad-Grenze um etwa 150 Meter nach oben. Das heißt: Gletscher schmelzen, der Permafrostboden taut auf. In der Höhe nimmt die Erwärmung besonders zu. In den Alpen ist die Temperatur gegenüber dem weltweiten Schnitt um das Dreifache gestiegen: um zwei Grad. Währenddessen geht die Niederschlags- und damit auch die Schneemenge laut den Prognosen um etwa zehn Prozent zurück. Praktisch alle Skigebiete Deutschlands und zwei Drittel in Österreich sind künftig nicht mehr schneesicher.
    Ohne Kunstschnee geht längst nichts mehr im Skisport. Wenn ein Skigebiet eine Kapazität von knapp 100 000 Menschen hat und Hunderte von Pistenkilometern, braucht es eine enorme Menge künstlichen Schnees. Dieser Schnee muss aufwendig hergestellt werden in Wasserspeichern und unter Einsatz riesiger Mengen Strom. Da rattern jede Nacht riesige Schneekanonen, die Wasser und Druckluft mischen. Das Wasser dafür wird aus Quellen und Flüssen hochgepumpt und in Wasserspeichern im Berg gelagert. Für die Grundbeschneiung von einem Hektar Piste werden mindestens eine Million Liter Wasser benötigt. Die Piste muss regelmäßig nachbeschneit werden, das summiert sich bis auf das Vierfache. Große Anlagen mit mehreren Schneekanonen verbrauchen bis über 500 000 Kilowattstunden Strom pro Saison. Ein Familienhaushalt mit vier Menschen verbraucht etwa 3 500 bis 4 500 Kilowattstunden im Jahr.
    Kunstschnee kommt aus den USA, dort gibt es ihn seit den 50ern. Seit Ende der 80er wird er auch in deutschen Skigebieten benutzt. Kurzfristig betrachtet ist er ein Segen. Schneelose oder schneearme Winter sind eine Gefahr für die Wirtschaft. Aber immer weniger Winterskiorte sind, der Erderwärmung wegen, schneesicher. Deshalb hat man viel Geld in Schneekanonen investiert, um weiter mithalten zu können und Gäste anzuziehen. Der Kunstschnee ermöglicht oder verlängert die Skisaison und erhält oder vergrößert damit die Einnahmen – aber er vergrößerte auch die Belastung.
    Eine Skipiste kann viel weniger Wasser speichern als ein Bergwald. Der Kunstschnee erhöht die Schmelzwasserabflüsse im Frühjahr zusätzlich. Das heißt: Die Überschwemmungen werden künftig mehr und heftiger. Klimaforscher sagen, dass die Wetterschwankungen immer größer und in beide Richtungen extremer werden. Also entweder kein Schnee oder Schneemassen. Entweder sehr kalt oder gar nicht kalt. Überwiegen werden aber wärmere und zumindest in Mittelgebirgslagen schneearme Winter.
    Weil wir an die Macht der Technologie glauben, sagen wir: Egal, den Winter kriegen wir auch so hin. Kriegen wir auch. Wir erzeugen den Schnee künstlich und verbrauchen dafür riesige Mengen Energie, weil es durch unseren riesigen Energieverbrauch nicht mehr natürlich schneit.
    Im Grunde steht diese Logik stellvertretend für die grundsätzliche Logik: Kurzfristig geht alles weiter wie bisher, aber dadurch schwindet sowohl die ökologische wie auch die ökonomische Perspektive: Die empfindlichen Ökosysteme werden weiter geschädigt, Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel ver säumt, und ein rechtzeitiger ökonomischer Umbau für ein Leben jenseits des Skitourismus wird verpasst. Wenn es noch wärmer wird, nutzen auch die Schneekanonen

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