Das Leben ist eine Oeko-Baustelle
Fliegen animieren. Die Klimaschützer wollen die Leute dazu anregen, bestimmte Flüge nicht oder nicht mehr zu machen. Ein Ökoflugzeug, sagen Kritiker – und das sagt sogar der langjährige Air-Berlin-Chef Achim Hunold –, werde es niemals geben. Die bisher verbesserte Technik sei gut fürs Image, bringe aber dem Klima gar nichts, weil sie durch immer mehr Flüge mehr als ausgeglichen werde. Es gehe aber um weniger Flüge. Die erreiche man durch höhere Preise, durch ein Ende der Mineralölsteuerbefreiung beim Kerosin, durch ein Ende der Mehrwertsteuerbe freiung auf Auslandsflüge, was man auch als indirekte Subvention sehen kann. Aus Sicht meines Gesprächspartners Achim Hunold ist es völlig berechtigt, dass es im Flugverkehr keine Kerosinsteuer gibt, weil die Branche im Gegensatz zur Bahn nicht direkt subventioniert werde. »Flugsicherungsgebühren, Flughafengebühren – wir bezahlen alles selbst«, sagt er.
Das Umweltbundesamt rechnete mal aus, dass ein »Öko«-Ticket ins Ausland 40 Prozent mehr kosten würde als der heute üb liche Preis ohne Kerosinsteuer, Mehrwertsteuer und Klimaschutz abgabe. Wäre das dann gerecht, weil wir die Kosten für Klima und vom Klimawandel besonders betroffene Länder mitbezahlen? Oder ungerecht, weil die Okayverdiener weiter fliegen und die Geringverdiener öfter zu Hause bleiben müssen? Auch hier gilt der Satz: Wo ein Vorteil ist, ist auch ein Nachteil. Man muss abwägen, ob der neue Vorteil den neuen Nachteil überwiegt.
Das Klimaschutzunternehmen Atmosfair arbeitet dafür, neben Preis und Service die Klimabilanz der Fluggesellschaften als Kriterium für den Kunden mit einfließen zu lassen – und damit in den Wettbewerb der Flugunternehmen.
Dafür hat man 2011 erstmals einen Airline Index herausge geben, der eine Orientierung über die Umweltfreundlichkeit der Fluglinien gibt.
Selbstverständlich ist das Ranking umstritten, vor allem auch, weil es aus methodischen Gründen keine Low-Cost-Fluglinien aufführt. Generell kann es dazu dienen, überhaupt Vergleichsmöglichkeiten zu haben. Nach Meinung von Umweltpsycholo gen werden die wenigsten Menschen einen teureren Flug buchen, weil die Luftlinie weniger Kerosin verbraucht. Doch bei gleichem Preis und gleichem Service hat der Umweltfaktor Einfluss auf einen Teil der Buchenden.
Atmosfair teilt die Verantwortlichkeit auf: Der Mensch wird verantwortlich für den Ausstoß von Klimagasen, indem er den Flug bucht. Und das Flugunternehmen wird verantwortlich dafür, den schädlichen Ausstoß von Klimagasen möglichst gering zu halten. Bei Atmosfair kann man auch Flüge »kompensieren«, das heißt den Gegenwert des Schadens, den der Flug verursacht, in Klimaprojekte investieren. Nicht um sich freizukaufen, wie Kritiker gern sagen. Das ist kein Ablasshandel. Es geht nicht um Moral, sondern es geht darum, real verursachte Treibhausgase an anderer Stelle in einem vergleichbaren Umfang bei der Umwelt wieder einzusparen. Indem das Geld in Solar-, Wasserkraft oder Energiesparprojekte investiert wird. Konkret: Eine indische Volksküche produziert Energie mit einer Solaranlage statt mit Diesel und spart damit, von einem offiziellen Prüfer beglaubigt, CO 2 in einem vereinbarten Umfang ein.
Mein Co-Autor Peter Unfried und ich sind für dieses Buch von Berlin nach London geflogen. Das wird im Emissionsrechner von Atmosfair mit 540 Kilogramm CO 2 pro Person berechnet, also zu zweit 1080 Kilogramm. Macht bei Atmosfair 13 Euro pro Person. Der Flug nach Stuttgart zum Interview mit Boris Palmer: 640 Kilogramm für zwei Personen, macht neun Euro pro Person. Beim Kompensieren des Stuttgart-Fluges meldet Atmosfair in grellem Gelb unterlegt: »Übrigens: Diese Strecke können Sie viel klimaschonender mit der Bahn fahren!« Das zeigt, dass es der gemeinnützigen GmbH tatsächlich um unser Klima geht und nicht um unser Geld.
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Der Fluglinien-Chef: »Was können Sie als Unternehmer gegen den Klimawandel tun, Joachim Hunold?«
Joachim Hunold schleppte einst als Roadie die Boxen für Mari us Müller-Westernhagen in die Konzerthallen. 1991 gründete er die Air Berlin GmbH & Co Luftverkehrs. KG. Damals hatte Air Berlin zwei Flugzeuge, heute ist sie die zweitgrößte deutsche Fluglinie hinter der Lufthansa mit 8 900 Arbeitsplätzen. Hunold selbst hält 2,64 Prozent der Aktien. Seinen Erfolg begründete er damit, dass er preisgünstig in Feriendestinationen flog. Von Randflughäfen aus, wo sonst nichts war, nicht mal Nachtflugverbote, sodass seine
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