Das Leben ist eine Oeko-Baustelle
beschrifte seinen Plastikbecher, sodass er ihn zumindest mal den ganzen Tag benutzen könne. Nach meiner Erfahrung funktioniert das nicht. Irgendwann ist er weg. Mit Hannes habe ich beim Drehen viel über den Klimawandel gesprochen und was wir tun können und tun müssen. Das ist allerdings nicht der Normalfall. Grundsätzlich wird beim Film immer noch wenig über das Thema gesprochen. Man spricht über das, worüber man vermutlich auch in anderen Berufen spricht: über sich, also über die eigene Branche. Ein bisschen Klatsch, wie es so läuft, wie die Auftragslage ist, ob die Wirtschaftslage der Filmbranche besser oder schlechter wird. Man redet auch über Fußball. Über Politik nur ganz am Rand. Hauptsächlich kreisen die Themen um die Branche selbst. Keiner würde zugeben, dass er Angst hat, dass es nicht mehr so wei tergeht, wie es bisher ging. Keiner möchte sich diese Blöße geben. Aber das Geschäft ist nicht einfacher geworden, es ist weniger Geld da, es wird weniger produziert, es gibt weniger Aufträge, darüber wird gesprochen. Und das ist auch spürbar.
Ich muss gestehen, dass ich, nachdem ich mich bei Jörg, dem Caterer, lautstark über den Spargel im März beschwert hatte, am Ende den Spargel doch probiert habe. Ich wollte wissen, wie er schmeckt im März. Und? Ich kann in Zukunft ruhig wieder bis Mai warten.
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Kleidung: »Die sind doch aus Biobaumwolle, oder?«
Früher hat mich Mode nicht besonders interessiert. Stil schon, aber Fashion nicht. Heute hat es mich von Berufs wegen zu inte ressieren. Für bestimmte öffentliche Anlässe braucht man ent sprechende Kleidung. Es wäre mutig, nur ein Kleid zu haben und es zu jeder Abendveranstaltung anzuziehen – oder es wäre beruflicher Selbstmord. Wahrscheinlich Letzteres. Zur Verleihung der »Goldenen Kamera« wird einfach ein tolles, neues Kleid erwartet. Und ja, ich kaufe zu oft und zu viel Kleidung. Und ich habe auch nicht nur eine Handtasche, ich habe fünfzehn Handtaschen. Auch das gehört dazu.
Einen Teil meiner Kleidung bekomme ich zur Verfügung gestellt. Ich erlebe das als Privileg. Es steht auch niemand mit der Pistole vor dem Spiegel und zwingt mich, schöne Kleider anzuziehen. Eher im Gegenteil. Ich muss gestehen, ich genieße das auch. Dennoch kriege ich manchmal eine Krise, wenn ich vor meinem Kleiderschrank stehe. Es gelingt mir einfach nicht, die Anforderungen eines ressourcenintensiven Berufes und meine privaten Überzeugungen in Übereinstimmung zu bringen.
Die Art, wie man ein T-Shirt sieht, hat sich in den letzten Jahren sehr verändert. Das T-Shirt von Massenlabeln stand für das Wohlstands-, Gleichheits- und Glücksversprechen durch Konsum. Es ist zu einem gewissen Grad chic und dabei so preisgünstig, dass sich in der westlichen Gesellschaft jeder ständig und nebenbei eins kaufen kann, auch Jugendliche. Das ist auch weiterhin so. Inzwischen hat sich das gute alte T-Shirt aber auch mit der ganzen Schlechtigkeit und Ungerechtigkeit der Welt aufgeladen: mit Kinderarbeit, Sweatshop, Pestiziden und ande ren Giften, mit inakzeptablem Trinkwasserverbrauch bei der Produktion, tausenden Flugmeilen beim Transport und zu guter Letzt: ex und hopp und weg damit.
Kleidung gehört zu den Produkten, deren Produktionsbedingungen wir als Gesellschaft lange ignoriert haben. Unsere Kleidung wird heute zu 90 Prozent in Entwicklungsländern hergestellt, zu Niedriglöhnen und mit niedrigen Standards. Dort wird auch der Hauptanteil der dafür verwendeten Naturfasern angebaut, in der Regel ist das Baumwolle. Für die Weltjahresproduktion von 25 Millionen Tonnen Baumwolle werden 300 Billionen Liter Wasser gebraucht. Das ist das Vierfache des Wassergrundbedarfs aller Erdbewohner. Ein Viertel der weltweit eingesetzten Insektizide wird auf Baumwollfeldern versprüht. Dazu kommt Kunstdünger. Nicht nur die Umwelt, sondern etwa eine halbe Milliarde Menschen sind diesen Giften ausgesetzt.
Über 50 Prozent der Kleidung wird aus Kunstfasern hergestellt, kommt also aus der Chemiefabrik. Die Kunstfasern werden unter Einsatz des fossilen Energieträgers Öl hergestellt. Der Produktionsprozess konventionell produzierter Kleidung hinterlässt chemischen Dünger auf dem Acker, Schwermetalle in den Farben, Chlor beim Bleichen. Das alles lagert sich in den Fasern ab.
Die Textil- und Bekleidungsindustrie in Deutschland hat seit den 80ern eine halbe Million Arbeitsplätze verloren. Der deutsche Modeverband German Fashion sagt, dass noch etwa fünf Prozent der
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