Das Leben ist eine Oeko-Baustelle
Menschen diesen Giften nicht mehr auszusetzen, ist ein erster Schritt zu einem fairen Arbeitsverhältnis. Wichtig bei einem echten Biokleidungsstück ist auch die ökologische Verarbeitung: dass keine chlorhaltigen Chemikalien beim Bleichen eingesetzt werden und dass bei der Färbung keine gesundheitsgefährdenden Stoffe zum Einsatz kommen.
Stellt sich die Frage: Ist die Zeit nicht reif für den Einzug von Ökomode in die Massenproduktion der Modeindustrie? Wenn man die vielen Berichte über chice Ökolabels und grüne Mode liest, die die Laufstege der Fashion Weeks in den Metropolen und die Szeneläden erobern, könnte man denken, es gebe einen riesigen Boom. Gibt es auch. Es ist aber zunächst ein Medienboom. Quantitativ gesehen relativiert sich das: Es werden immer noch weniger als ein Prozent der Baumwolle und der Kleidung weltweit biologisch und agrargiftfrei produziert. Andererseits wenden sich immer mehr namhafte Designer ökologischem Denken und Konzepten zu und versuchen, dies in ihren Kollektionen umzusetzen.
Die britische Kleidungsdesignerin Stella McCartney, Jahrgang 1971 und Mutter von vier Kindern, ist schon immer Vegetarierin gewesen und benutzt in ihren Kollektionen weder Pelz noch Leder. Sie nennt diese Kollektionen »vegan«. »Keiner bei uns zu Hause aß je Fleisch«, sagte sie in einem SZ- Interview als Erklärung. Ihre verstorbene Mutter Linda McCartney war Vegetarierin und Tierschützerin, ihr Vater Paul McCartney wurde durch Linda zum Vegetarier. Stella McCartney sieht das grüne Bewusstsein wachsen, denkt aber, dass ihr Label kommerziell noch erfolgreicher wäre, wenn sie Leder benutzen würde.
Ein weiterer Designer, der den Begriff Glamour neu definieren will, ist der Mallorquiner Miguel Adrover. Er war Stardesigner in New York und ist heute Kreativdirektor eines deutschen Naturtextilienversandhauses. »Mode«ist für ihn »nur ein dummes Wort, das nichts beschreibt«. Er will sich kurzfristigen Trends verweigern, nur naturnahe Materialien verwenden und nur ökologisch und sozial verantwortlich hergestellte Kleidung produzieren. Er fordert die Modebranche auf, das auch zu tun. Seine Prämisse: »Es gibt keine Schönheit ohne Verantwortung.«
Parallel zu der Bewusstseinsveränderung bei einigen Starde signern ist die Ökomode in einem Teil der Gesellschaft aus der Ecke langweiliger, eher von Überzeugung als von Attraktivität bestimmter Kleidung herausgekommen und präsentiert sich, zum Beispiel, als coole Jeans im Laden – etwa von Kuyichi – oder als innovatives Label in unzähligen Internetportalen für alle anderen Varianten und Formen von Kleidungsstücken.
Gleichzeitig muss der Begriff Öko aber auch für Dinge herhalten, die gar nicht öko sind: etwa, wenn man in einen Laden geht, der mit »fair« oder »grün« oder ähnlichen Begriffen wirbt, weil Öko jetzt »en vogue« ist. Da hat man dann Kindersachen in der Hand, die ganz nett sind für ihren Preis. Und dann geht man zu der Verkäuferin und fragt: »Die sind doch aus Biobaumwolle, oder?« Und sie sagt: »Nein, leider nicht.« Es gibt eine ganze Reihe Läden, die mit Öko werben, aber eben nur Teile des Sortiments in Öko anbieten. Der Rest sieht so aus, ist aber konventionell.
Natürlich wird auch im Bereich des Bio- und Ökokonsums mit Versprechen oder Emotionen gearbeitet, die manche Produkte dann eben doch nicht einlösen. Man kann zwar die Produktionskette im Laden nicht kontrollieren, aber man kann das Etikett lesen, und das hätte in dem oben erwähnten Laden auch schon gereicht. Da stand nämlich drauf, dass es normale Baumwolle war.
Was die Prioritäten eines klimabewussteren Lebens angeht, so ist Kleidung allerdings wohl nicht das erste Projekt, das man angehen sollte. Zum einen ist es eine teure Umstellung, erst recht, wenn es sich zum Beispiel um einen Vier-Personen-Haushalt handelt, zum anderen ist das Verbesserungspotenzial bei CO 2 -Emissionen von etwa 200 Kilogramm pro Mensch und Jahr deutlich geringer als das Potenzial bei Strom, Wärme, Mobilität und Fleischkonsum.
Aus meiner Sicht ist es etwas für Fortgeschrittene.
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Der Politiker: »Sind Sie Teil einer neuen Öko-Generation, Boris Palmer?«
Am Tag nach einem Empfang für einen Prominentenfriseur aus Berlin komme ich zu Boris Palmer ins Tübinger Rathaus. Ich weiß das, weil die Lokalzeitung Schwäbisches Tagblatt aufgeregt auf der ersten Seite berichtet. Die Friseurinnung hatte um diesen Empfang gebeten. Palmer stimmte zu und hielt eine kleine
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