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Das Leben ist groß

Das Leben ist groß

Titel: Das Leben ist groß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Dubois
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einen Moment lang, dass er ihn nicht in Schwierigkeiten gebracht hatte. »Zeit für eine Mittagspause«, sagte Tschasow hastig. »Wir werden Sie in Kürze über alles Weitere informieren.«
    Am nächsten Morgen rief Peter Pawlowitsch bei Alexander an. Vor dem Fenster hupten Autos; von irgendwoher stieg ein moosiger Geruch auf. Alexander wusste kaum noch, wie es war, dort draußen zu leben.
    »Tja, Alexander«, sagte Peter Pawlowitsch. »Ich weiß nicht, was ich dir jetzt sagen soll.«
    »Ist es nicht Ihre Aufgabe, immer genau zu wissen, was Sie mir sagen sollen?«
    Alexander hörte, wie Peter Pawlowitsch sich eine Zigarette ansteckte und geräuschvoll ausatmete.
    »In ihrer Großmut haben sie beschlossen, die Fortsetzung des Turniers zu erlauben.«
    »Weil es im Fernsehen war.«
    »Du darfst so etwas nie, nie wieder tun. Ich weiß, dass du keine Ahnung von meiner eigentlichen Aufgabe hast. Du denkst, ich habe es auf dich abgesehen. Aber ich sage dir das hier als Mitstreiter – nicht als Freund, aber als Mitstreiter, der deine Fähigkeiten respektiert. Du darfst das nie, nie wieder tun.«
    »Im Fernsehen?«
    »Auch sonst nicht. Überhaupt nicht. Es ist vollkommen inakzeptabel.«
    »Ich verstehe gar nicht, warum es denen so wichtig ist, wer gewinnt. Sie kriegen so oder so ihre fünfzig Prozent der Einnahmen.«
    »Du machst so viel mehr Mühe, als du wert bist.«
    »Immerhin werde ich Weltmeister, oder?«
    »Du bist nicht bereit dazu. Du bist nicht bereit, die Sowjetunion als Schachnation zu repräsentieren.«
    »Aber ich werde doch Weltmeister, oder?«
    »Begreifst du denn überhaupt nichts?«
    »Oder?«
    »Begreifst du wirklich gar nichts ? Irgendjemand muss Weltmeister sein.«
    Darüber dachte Alexander erst einmal nach. »Und ihr wollt wirklich, dass es dieser vorgestrige Hanswurst ist?«
    Ein Schniefen war zu hören, und Alexander versuchte seinen emotionalen Gehalt einzuschätzen. Im Laufe der Jahre hatte er die ganze Bandbreite von Peter Pawlowitschs Schnief- und Schnüffelgeräuschen kennengelernt; er konnte sie diagnostizieren und interpretieren; er kannte sie, wie eine Mutter jede Nuance der Schreie ihres Neugeborenen kennt. Peter Pawlowitsch hatte ein Schniefen, wenn er verärgert, und ein anderes Schniefen, wenn er enttäuscht war – bizarrerweise hatte er sogar ein verschleimtes, glucksendes Schniefen, das Zufriedenheit ausdrückte. Und er hatte ein Schniefen, das bedeutete, dass er in einer passiv-aggressiven Stimmungslage war. Dieses Schniefen äußerte er am häufigsten, und es war auch dasjenige, das er jetzt von sich gab.
    »Werden Sie jetzt rausgeworfen?«, fragte Alexander.
    »Nicht von dir, mein Lieber. Das steht nicht in deiner Macht.«
    »Von der Partei.«
    »Jedes Mal, wenn du einen Wutanfall bekommst, kriege ich eine Gehaltserhöhung, weißt du. Die wissen, wie schwer meine Aufgabe ist, und, Towarischtsch, das ist ein großes Glück.«
    Seine Worte ratterten wie Fehlzündungen. Alexander zuckte zusammen.
    »Jedes Mal, wenn du dich wie ein undankbares Kind aufführst,begreifen sie noch besser, was für ein Vergnügen – ein reines Vergnügen – es ist, sich mit dir herumzuzanken. Wenn das also deine einzige Sorge ist, nur weiter so.«
    Schweigen. Alexander wartete darauf, dass Pawlowitsch wieder schniefte, doch er tat es nicht.
    »Du scheinst nie begriffen zu haben, dass ich ehrliches Interesse an deiner Karriere habe. Wenn ich ein Talent wie deines sehe, will ich es beschützen. Ich will es fördern. Ich will helfen, es innerhalb des Systems voranzubringen. Ich will verhindern, dass es gewissen zersetzenden Einflüssen ausgeliefert ist.«
    Durch das Fenster beobachtete Alexander, wie ein Auto Schmutz an eine Gebäudewand spritzte.
    »Aber ich interessiere mich nicht für dich, Towarischtsch. Nur für dein Gehirn. Dass das klar ist.«
    Alexander, der lange geglaubt hatte, er und sein Gehirn seien ein und dasselbe, wusste selbst nicht, warum er das als beleidigend empfand. »Gut«, sagte er. »Ich denke nicht, dass ich das je verwechselt habe.«
    »Du kannst also weiterspielen«, sagte Peter Pawlowitsch. »Das ist die gute Nachricht. Ich hoffe, du bist glücklich. Überglücklich.«
    »Begeistert.«
    »Gut. Das hoffe ich doch. Dein Glück hat eine solche Strahlkraft, weißt du? Es erhebt uns und macht uns zu besseren Menschen. Es ist eine wahre Freude, das zu erleben. Eine Inspiration für sämtliche Generationen.«
    »Schon gut. Das reicht.«
    »Am Dienstag geht das Spiel

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