Das Leben ist zu kurz für Knaeckebrot
sind die Sündenböcke der Nation. Sie haben die Raucher abgelöst. Sie sind verantwortlich für den Zusammenbruch des Gesundheitssystems. Wie einfach man Feindbilder schaffen kann! Und, wie gesagt, nach einer neuen Studie sind sie sogar schuld am Klimawandel. Sie lachen? Zwei britische Forscher haben den Nahrungs- und Spritverbrauch einer dicken im Vergleich zu einer schlanken Gesellschaft berechnet. Und wie heißt natürlich die Überschrift einer Pressemeldung über diese News? »Dicke als Klimakiller«.
Mehr Körpergewicht sei gleichbedeutend mit mehr essen, so das Kernargument der Studie. Das heißt, das Klima wird von den pupsenden Kühen zerstört, die die fleischfressenden Dicken vertilgen. Dicke als Ursache der Erderwärmung. Da muss man erst einmal draufkommen. Dazu komme der höhere Spritverbrauch, da Dicke auch faul seien und ständig mit dem Auto herumführen. Dr. Phil Edwards erläuterte die Ergebnisse in der Zeitung »The Sun« so: »Ein schwergewichtiger Körper ist wie eine Benzinschleuder!« So einfach ist das. Die Hatz auf Dicke ist eröffnet.
Angst macht die Gesellschaft dick
Wenn die Behauptung wirklich stimmt, dass es immer mehr dicke Menschen in Deutschland gibt, wundern wir uns eigentlich, dass Menschen in diesen Zeiten immer dicker werden? Zeiten, die Menschen in Unsicherheit stürzen, die ihnen Angst vor der Zukunft machen? Angst, Unsicherheit und Stress machen auch dick, das haben viele Studien bewiesen. Die Angstmacher - und damit Dickmacher - kommen aus den verschiedensten Ecken:
› Politiker machen dick. Sie kürzen Elterngeld und Hartz IV. Sie lassen Zeitarbeit und Mini-Löhne zu. Sie propagieren, dass die soziale Hängematte zu weich ist und andere Zeiten kommen müssen. Sie entlasten die Reichen und belasten die Armen überdurchschnittlich (Stichwort Kopfpauschale). Darüber hinaus bezeichnen sie Übergewicht als Seuche und überlegen, wie sie Dicke
› bestrafen können. Ernährungswissenschaftler, oft im Auftrag von Pharmakonzernen, machen dick. Sie sagen den Menschen, dass so, wie sie bisher gegessen haben, alles falsch war. Sie unterstützen eine Gesundheitspanik, die Angst macht. Die Unsicherheit, was man heute überhaupt noch essen kann, greift um sich. Pharmakonzerne haben großes Interesse, dick zu machen. Dann können sie auch Mittel verkaufen, die (angeblich) dünn machen.
› Das Schulsystem macht dick. Schon Grundschülern wird Stress wegen des bevorstehenden Übergangs in höhere Schulen gemacht. Viele Kinder fürchten sich schon mit sieben oder acht Jahren vor den Anforderungen der Schule. Ein Drittel aller zwölf- bis 17-jährigen Schüler nimmt einmal wöchentlich Medikamente gegen Schulstress und Leistungsüberforderung, meldete die DAK. Mehr als 60 Prozent der Jugendlichen klagen über Erschöpfung und Stress, so das Ergebnis einer Studie »Young is beautiful?« der Gmünder Ersatzkasse (GEK). Tendenz steigend. Lehrer prophezeien Hauptschülern, dass sie auf der Straße landen werden.
› Unternehmen machen dick. Sie bilden immer weniger junge Menschen aus und stellen, wenn möglich, Mitarbeiter nur noch mit Zeitverträgen ein. Niemand kann mehr sicher sein, nächstes Jahr noch einen Arbeitsplatz zu haben. Die Zahl der Mini-Jobs steigt, mit negativen
Auswirkungen auf die Altersvorsorge von Menschen. Angst begrenzt Lohnforderungen und das Selbstbe wusstsein von Mitarbeitern, wie praktisch.
› Medien machen dick. Fernsehsender zeigen den ganzen Tag bedrohliche Situationen in Nachrichtensendungen. Im Vorabendprogramm (auch im Öffentlich-Rechtlichen) werden zur Unterhaltung Unfälle, Überfälle und Ausfälligkeiten von Menschen genüsslich-schaudernd gezeigt. Aber viel mehr noch in Serien: den ganzen Abend Krimis mit Vergewaltigungen, Morden, Kindsentführungen, Missbrauch, Verschleppung, Katastrophen, Bandenkriege, Krieg. Angst verkauft sich gut. Und macht dick.
Ich bin keine Wissenschaftlerin. Ich kann das nicht beweisen. Aber ich kann Anregungen zum Nachdenken geben. Überlegen Sie doch einmal: Wen treffen die Angstmacher am häufigsten? Auf welche Bevölkerungsschicht hat dies alles die größten Auswirkungen? Auf:
› Menschen ohne gute Bildung/Ausbildung;
› Menschen, die auf staatliche Hilfe, sprich auf Solidarität, angewiesen sind;
› Menschen, die ihre Arbeit schon verloren haben oder Angst um ihren Arbeitsplatz haben müssen;
› Menschen, die viel fernsehen;
› Menschen, die Kinder haben;
› Menschen, die arm sind;
› Menschen mit
Weitere Kostenlose Bücher