Das Leben ist zu kurz für Knaeckebrot
Menschen umgehen, oder sie mit uns, das scheint ein wichtiger Aspekt beim Thema Zunehmen zu sein. Dass Stress wohl der Dickmacher Nummer eins ist, zeige ich im nächsten Kapitel.
Turbulenzen: Was Stress mit uns macht
Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral! Dieser Satz stammt vom Schriftsteller Bertolt Brecht. In diesem Kapitel werden Sie erfahren, warum Dickwerden nicht vom Fressen kommt, sondern von der Moral. Es sind die Turbulenzen des Lebens, die uns dicker werden lassen, als die Natur uns als Figur auf den Lebensweg mitgegeben hat: Es geht von »A« wie Anspannung bis »M« wie Mobbing.
Was ich immer wieder faszinierend finde: Beispiele fallen mir fast direkt in dieses Buch. Gerade habe ich überlegt, wie ich Stresssituationen beschreiben soll, schon bin ich selber in einer. Um zehn Uhr (nach einem wunderbaren Frühstück) habe ich mich ans Notebook gesetzt, um an diesem Kapitel weiterzuschreiben. »Ach, lese ich noch schnell die Mails«, habe ich mir gedacht (kennen Sie diese kleinen Aufschieberituale, die wir haben? Erst noch schnell die Blumen gießen, erst noch schnell die Sockenschublade aufräumen, noch schnell die Fingernägel feilen, schnell mal umziehen...?).
Also, ich öffne das Mailprogramm und dann als Erstes eine Mail einer Geschäftspartnerin. Ich lese die Mail und bin wie vor den Kopf gestoßen: »Was will die von mir?« Der Inhalt ärgert mich total. Ich rufe sie auf der Stelle an, da läuft nur der Anrufbeantworter. Sie weiß doch, dass ich im Schreiburlaub bin, warum schickt sie mir ausgerechnet jetzt so einen blöden Brief? Ich laufe im Zimmer herum. Ich rufe im Büro an, bitte meine Mitarbeiterin, die Sache zu klären. Laufe wieder im Zimmer herum.
Jetzt bin ich richtig schlecht gelaunt. Setz mich wieder an den Schreibtisch. Oh, nee, ich muss weiterschreiben, der Abgabetermin naht, ich kann mir keinen vertanen Tag leisten - aber es geht nicht. In meinem Magen rumort es vor
Ärger. Ich kann keinen klaren Gedanken formulieren, mache den Fernseher an, krame in meiner Tasche nach einer fast leeren Bonbontüte. Lutsche missmutig ein altes Bonbon. Spiele drei Durchgänge von »Exchange« am Computer. Ärgere mich, weil ich nicht weiterschreibe.
»Ärger kann dick machen!«
Ich rufe meinen Mann an, erzähl ihm, was war. »Ach, bist du empfindlich«, stellt er fest. Ja, ich bin empfindlich. Und warte nur auf die Frage »Warum hast du überhaupt in die Mails geguckt?« Die stellt er gar nicht, sondern sagt ganz lieb: »Es wird sich alles regeln, Schatz.« Er weiß, dass ich zur Selbstbeschimpfung neige und ich mich das sicher selbst schon gefragt habe: Warum habe ich die blöden Mails angeschaut, obwohl ich im Schreiburlaub bin? Jetzt bin ich nicht nur sauer auf die Mailschreiberin, sondern auch auf mich selbst. Na, prima. Und da soll ich kreativ werden!
Ich gucke auf die Uhr, es ist inzwischen halb eins. Ich habe zwar keinen Hunger, aber der Magen grummelt. Eigentlich könnte ich jetzt eine Kleinigkeit essen gehen? Ich wasche mir im Bad die Hände, schaue mich im Spiegel an und überlege, ob ich nicht doch statt Essen eine Runde schwimmen gehen sollte, wäre doch besser, um den Ärger loszuwerden. Plötzlich muss ich grinsen. »Da hast du dein Beispiel«, sagt mein Grinsen.
Genau so geht es. Stress kann dick machen. Jedenfalls wenn wir Essen als »Entärgerungsmittel« benutzen (ist das ein schönes Wort, klingt fast wie »Enteisungsmittel«!). Weil wir nämlich gewohnt sind, dass Essen uns meistens wieder »runter von der Palme« bringt.
Noch vor einem halben Jahr hätte sich der »Jetzt-was-essen-Reflex« durchgesetzt, da bin ich sicher. Vielleicht sollte
ich gar nicht so böse auf ihn sein, wahrscheinlich hat er mich mein halbes Leben lang vor Magengeschwüren bewahrt: Anspannung, ein Stück Kuchen kaufen; Ärger, gehen wir heute Abend essen? Druck, ich brauche jetzt ein Stück Schokolade... Der »Jetzt-was-essen-Reflex« hat mir auf der anderen Seite viele Kilo verschafft. Und dazu habe ich keine Lust mehr.
Hat doch schon was gebracht, sich mit dem Thema Dicksein auseinanderzusetzen. Deshalb gehe ich jetzt erst einmal eine Runde schwimmen, dabei kann ich meine Gedanken und Gefühle ordnen und danach dieses Kapitel konzentriert weiterschreiben. Und ich bin froh, dass ich hier im Hotel sitze, das einen Entspannungspool hat, und nicht zu Hause, wo ich jetzt entweder den Kühlschrank leerfuttern oder anfangen würde, Fenster zu putzen (nee, so verzweifelt kann ich gar nie sein).
Das
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