Das Leben kleben
saß er an die Wand gelehnt auf dem nassen Boden, unter dem grauen Fleck, wo das Foto von Lydda gehangen hatte - es war der angestammte Platz des Phantomscheißers, auch wenn alle etwaigen Katzenhaufenreste inzwischen längst fortgespült waren -, und drückte sich sein frisches weißes Taschentuch an die Platzwunde am Kopf.
Und doch breitete sich nach dem Unfall ein seltsamer erschöpfter Friede im Haus aus. Das Wasser versiegte endlich, als der Tank des Warmwasserspeichers leer war. Ismael holte einen Besen und begann das Wasser durch die Haustür hinauszufegen - es musste mindestens eine Badewanne voll sein. Die Katzen tanzten um die Wasserstrudel, von all der Aufregung angesteckt, doch vorsichtig genug, sich nicht die Pfoten nass zu machen. Auch Mrs. Shapiro tanzte umher und feuerte Ismael an. Nabil ging in die Küche, um eine Kanne Kaffee zu kochen. Als die Tür aufging, schnappte ich Fetzen einer Unterhaltung auf.
Mr. Ali: Wo haben Sie den Werkzeugkasten her, Chaim? Chaim Shapiro: Von B&Q. Wollen Sie ihn sich mal ansehen?
Ich setzte mich zu Mr. Diabello, bis der Krankenwagen kam.
»Ich habe gehofft, dich hier anzutreffen, Georgina. Ich bin deinetwegen hier«, murmelte er. »Ich wusste nicht, dass dein Mann wieder da ist.«
»Ja. Ich hätte es dir sagen sollen. Tut mir leid. Du und ich - es ist aus, Mark.« Ich drückte seine Hand, als er zum Krankenwagen gebracht wurde. »Aber es war schön.«
»Mrs. Shapiro«, sagte ich beiläufig, »wissen Sie zufällig, wo die Eigentumsurkunde für das Haus ist?«
Mr. Ali und Chaim Shapiro waren in männlich schweigendem Einvernehmen zusammen zum Baumarkt gefahren, und wir beide tranken eine Tasse Kaffee am Kamin im Herrenzimmer, während Prokofjews Klaviersonaten aus dem Plattenspieler klimperten und die klitschnassen
König-der-Löwen-Hausschuhe
am Kamingitter dampften.
»Wofür brauche ich Urkunden?« Sie sah mich mit zusammengekniffenen Augen an.
»Anscheinend ist das Haus nicht beim Katasteramt registriert.« »Ich zahle seit sechzig Jahren die Steuer, ohne dass es Probleme gibt.« »Mr. Diabello sagt, es wäre besser, Sie lassen es registrieren, falls Sie es irgendwann mal verkaufen wollen.«
»Ich verkaufe überhaupt nichts.«
»Natürlich gibt es keinen Grund, warum Sie verkaufen sollten.« Es hatte keinen Sinn, mit ihr zu diskutieren. »Aber es wäre besser, wenn das Haus in Ihrem Namen registriert ist, Mrs. Shapiro. Dann kann es Ihnen keiner wegnehmen.«
Sie holte ihre Zigaretten aus der Tasche und steckte sich eine in den Mund. »Sie glauben, Chaim will es mir wegnehmen?«
»Alle wollen es. Chaim. Mrs. Goodney. Selbst Mr. Wolfe und Mr. Diabello. Es ist ein begehrenswertes Anwesen.«
»Und was ist mit Ihnen, Georgine?«
Sie sagte es ganz nebenbei, ohne mich anzusehen, während sie nach ihren Streichhölzern suchte. Ich fragte mich, ob es ein Vorwurf sein sollte.
»Es ist ein wunderschönes Haus«, sagte ich, »aber ich habe schon mein eigenes Haus.«
»Wenn ich tot bin, Georgine, Darlink, können Sie es haben.«
Ich lachte. »Das ist lieb von Ihnen, aber es ist zu groß für mich. Zu viele Probleme.«
»Sie können es haben, so lange Sie einziehen und die Steuer zahlen.«
Sie packte meine Hand und zog mich zu sich. Plötzlich sprach sie mit eindringlichem Ernst.
»Das Haus - es gehört niemandem. Artem hat es leer gefunden. Verlassen. Die Bewohner waren weggelaufen.«
»Aber warum ...?«
»Verstehen Sie, Artem war frisch verheiratet. Er brauchte einen Platz zum Leben.« »Mit Naomi?«
Sie wich meinem Blick aus. »Es war Krieg. Deutsche Bomben. Die Leute sind überall geflohen.«
Über unseren Köpfen hörten wir das Scheppern von Kupferrohren und einen Redeschwall. Anscheinend waren Chaim und Mr. Ali vom Baumarkt zurück. Plötzlich rannten mehrere Paar Füße die Treppe rauf und runter, während im Hintergrund weiter geklappert und gerufen wurde. »Sie sind einfach eingezogen?«
»So ein schönes Haus, nich wahr? Es gab sogar einen Flügel. Einen Bechstein. Manchmal sind Mutti und ich hergekommen, um zu spielen. Er spielte die Violine und wir haben ihn auf dem Klavier begleitet.«
»Zwei braune Augen.«
»Wissen Sie, Georgine, ich war nur ein junges Mädchen. Ich wusste nichts - ich wusste nur, dass ich ihn liebe.« Sie spitzte die Lippen und blies ein paar Rauchringe in die Luft, die mit dem warmen Zug zum Feuer schwebten und in den Flammen verschwanden. »Wenn man liebt, wenn man eine Idee im Kopf hat, denkt man nicht
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