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Das Leben kleben

Das Leben kleben

Titel: Das Leben kleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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fragende Satzmelodie - es war, als wäre jemand anders, ein Alien, in ihn hineingeschlüpft und spräche aus seinem Mund und starrte mich aus seinen Augen an.
    »Die Welt gibt es schon so lange, Ben. Du musst keine Angst haben.«
    Ich nahm ihn in die Arme und drückte ihn. Zuerst verkrampfte er sich, aber ich hielt ihn so lange fest, bis ich spürte, wie er sich entspannte und den Kopf an meine Schulter legte. Egal was es ist, dachte ich, es wächst sich raus.
    Am nächsten Tag überwand ich meinen Stolz und rief Rip an. »Ich mache mir Sorgen um Ben. Können wir reden?« »Ich bin gerade bei etwas Wichtigem. Kann ich dich in einer halben Stunde zurückrufen?« Doch er rief nicht zurück.
     
    Am Samstag ging Ben erst abends zu Rip. Er verbrachte den Tag oben an seinem Computer, und ich verbrachte den Tag mit dem
Verspritzten Herz.
Draußen peitschte der Regen auf den Garten nieder, und der Wind pfiff mit schauerlichem Geheul durch die billigen Fenster, aber bei uns drinnen lief die Zentralheizung und im Hintergrund spielte leise Snow Patrol. Jedes Mal, wenn ich in sein Zimmer kam, klickte Ben die Seite weg, die er gerade geöffnet hatte. Wir kochten abwechselnd Tee und brachten dem anderen eine Tasse, und wir gönnten uns dänischen Plunder von der türkischen Bäckerei und zum Mittagessen Dim Sum von Song Bee. Ich brauchte die Extranahrung; jetzt ging es ans Eingemachte:
Das verspritzte Herz, Kapitel 4.
    Es war schwer zu entscheiden, ob Rick ein lustgesteuerter Sexjunkie sein sollte oder ein winzig ausgestatteter, impotenter Viagra-Kandidat. Ich strich eine ganze Seite durch und begann an Rip zu denken. Nein, es war nicht der Sex, der zwischen uns schiefgelaufen war, doch was auch immer schiefgelaufen war, es hatte auch dem Sex den Glanz genommen. Bewahrt euch die Romantik in der Ehe, hieß es in Mamas Zeitschriften, und sie gaben Tipps wie sexy Unterwäsche tragen und dem Ehemann im Neglige die Tür öffnen, wenn er abends von der Arbeit kam. Letzteres hatte ich wirklich einmal versucht, aber es war ihm nicht einmal aufgefallen.
    Er stand gegen sechs in seinem Saab-Cabrio vor der Tür, um Ben abzuholen, sie wollten ins Kino und Daniel Craig als James Bond ansehen. Als sie weg waren, legte sich schreckliche Stille über das Haus, als wäre ein Sargdeckel zugeklappt.
     

12 - Marine Klebstoffe
    Erst am Montagmorgen fiel mir ein, dass ich Mrs. Shapiros Katzen nicht gefüttert hatte. Ich hörte ein bekanntes Jaulen im Garten, und als ich aus dem oberen Fenster sah, hockte Wonder Boy unter dem Lorbeerstrauch. Er sah mit vorwurfsvollem Blick zu mir herauf. Ringsherum war eine Masse grauer und brauner Federn, klitschnass vom Regen. Ihn hier in meinem Garten zu sehen, machte mich wütend - ich wollte nicht, dass er meine Vögel umbrachte; ich wollte überhaupt nicht, dass er hier war. Ich zog meinen braunen Dufflecoat und meine Gummistiefel an und machte mich auf den Weg zum Totley Place. Wonder Boy folgte mir, schlich mir mit Abstand hinterher und duckte sich in Einfahrten oder Gärten, sobald ich stehen blieb und mich umsah. Dann merkte ich, dass mir auch Stinkerle folgte; und noch eine dürre getigerte Katze. Langsam verwandelte ich mich in die Königin der Katzen. Die übrigen erwarteten mich auf der Veranda, ein begeistert schnurrendes Empfangskomitee. Keine von ihnen sah besonders feucht aus.
    Bei diesem Besuch fielen mir drei seltsame Umstände auf. Der erste war ein frischer Haufen, fast genau an der Stelle, wo Mr. Diabello neulich in einen hineingetreten war. Er hatte eine charakteristische gekringelte Form, ganz anders als all die trockenen braunen Würstchen, die ich hin und wieder im Haus fand. Dabei war ich mir sicher, dass ich bei meinem letzten Besuch alle Katzen aus dem Haus gescheucht hatte, bevor ich abschloss. Wer war der Schuldige - und wie war er reingekommen? Ich putzte den Haufen weg und zählte die Katzen, die mir um die Beine strichen - eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben. Wenn ich ging, würde ich sie draußen noch einmal durchzählen.
    Als ich mich aufrichtete, fiel mein Blick auf ein Bild an der Wand, direkt über der Stelle, wo der Haufen gewesen war. Es war das verblasste, grobkörnige Foto eines steinernen Torbogens mit einem Kreuz darüber, korinthischen Säulen zu beiden Seiten und einem Fries, auf dem das Relief eines mit einem Speer bewaffneten Mannes zu Pferd zu sehen war. Irgendetwas daran kam mir bekannt vor. Ich war ein Dutzend Mal hier vorbeigegangen, ohne es richtig

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