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Das Leben kleben

Das Leben kleben

Titel: Das Leben kleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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draußen die Wellen und die Gezeiten tobten. Ms. Firestorm half mir aus der Patsche.
Abgeschieden in der schimmernden Tiefe halten die treuen Muscheln leidenschaftlich aneinander fest...
Ja, wir konnten eine Menge von Schalenweichtieren lernen. Doch ich stellte fest, dass mich die kommerzielle Anwendung nicht besonders interessierte, und als die andere, schwer erreichbare maritime Kreatur bis Mittag immer noch nicht zurückgerufen hatte, zog ich mich warm an und machte mich auf den Weg zum Krankenhaus.
     
    Als ich ankam, saß Mrs. Shapiro im Aufenthaltsraum, in einem schürzenartigen Krankenhausmorgenmantel, der hinten gebunden wurde, und mit einem Paar Wollsocken an den Füßen. Mein schlechtes Gewissen regte sich. Wahrscheinlich war es als nächste Angehörige meine Aufgabe, ihr passende Krankenhauskleidung mitzubringen. Das nächste Mal musste ich daran denken.
    Eine alte Zeitschrift lag aufgeschlagen auf ihrem Schoß, doch sie las nicht; stattdessen schien sie in eine bruchstückhafte und zusammenhanglose Diskussion mit der alten Dame vertieft, die neben ihr saß.
    »Aber die war auf der Station, als sie nicht gesollt hätte«, sagte die alte Dame nachdrücklich, »und die neue Schwester hat gesagt, es war sie nix angegangen.«
    »Wenn sie nicht mehr da gewesen sind, dann hat sie wohl jemand genommen.«
    »Nein, weil sie ja nicht da sein hätte sollen. Das sag ich doch.«
    Sie blickte auf und entdeckte mich in der Tür. »Ah, da ist sie ja. Fragen Sie sie.«
    Mrs. Shapiro drehte sich um und streckte mir die Hände entgegen. »Georgine, Sie müssen mich hier rausholen. Hier sind nur Verrückte.«
    »So ein Gewäsch«, sagte die alte Dame, stemmte sich aus dem Stuhl und watschelte davon, während sie laut vor sich hin schimpfte.
    »Was ist denn hier los?«
    »Die ist meschugge«, erklärte Mrs. Shapiro. »Hirnamputiert.« Die alte Dame blieb stehen, drehte sich um, zeigte uns den Mittelfinger, dann ging sie weiter.
    »Wie geht es Ihnen, Mrs. Shapiro?« Ich nahm mir einen Stuhl und setzte mich neben sie. »Ich dachte, Sie könnten langsam nach Hause.«
    »Ich gehe nirgendwohin«, sagte Mrs. Shapiro. »Die haben gesagt, ich muss ins Altenheim. Ich habe ihnen gesagt, ich gehe nirgendwohin.« Entschlossen verschränkte sie die Arme vor der Brust ihres grünen Kittels. Der Streit mit der alten Dame war offensichtlich nur die Einstimmung auf eine viel größere Auseinandersetzung.
    Eine neue Schwester hatte Dienst, ein junges Mädchen, kaum älter als Ben.
    »Was ist bei der Einschätzung der Wohnsituation herausgekommen?«, fragte ich die Schwester.
    »Der Bericht ist gerade durchgekommen. Die Empfehlung ist Pflegeheim. Ich glaube, sie ist nicht sehr erfreut darüber.«
    »Ich kann auch nicht verstehen, warum sie unbedingt ins Heim soll. Sie ist gut allein zurechtgekommen.«
    »Schon, aber wissen Sie, wenn sie einmal gestürzt sind, geht es schnell, dass sie das Selbstvertrauen verlieren. Vor allem in ihrem Alter.«
    Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und sah über die Schulter zum Schwesternzimmer. Offensichtlich gab es ein Dutzend Dinge, die dringender waren als mit mir zu reden.
    »Was ist, wenn sie sich weigert?«
    »Wir können sie nicht in eine ungeeignete Wohnsituation entlassen.«
    »Dann bleibt sie einfach hier?«
    »Sie kann nicht hierbleiben. Sie blockiert ein Bett, das dringend gebraucht wird.« »Was sind denn die Alternativen?«
    »Hören Sie, ich glaube, es ist besser, wenn Sie mit Mrs. Goodney sprechen. Das Büro für Soziales ist drüben bei der Physio.«
     
    Ich ging zu Mrs. Shapiro zurück. »Keine Angst«, sagte ich. »Ich sorge dafür, dass das noch einmal geprüft wird.«
    »Danke, Darlink.« Sie drückte meine Hände. »Vielen, vielen Dank. Und meine lieben Katzen? Wie geht es meinen Schätzchen?«
    »Den Katzen geht es gut. Nur Wonder Boy scheint eine Menge Vögel umzubringen.«
    »Ach, der arme Darlink, er ist völlig durcheinander. Sie müssen ihn herbringen. Das nächste Mal. Versprechen Sie es mir, Georgine?« Ich murmelte etwas Ausweichendes, doch glücklicherweise kam im gleichen Moment die Teedame mit ihrem Wagen.
    »Gibt es keinen Kräutertee?«, fragte Mrs. Shapiro mürrisch. »Na schön, dann nehme ich eben diese Pferdepisse. Keine Milch. Drei Stück Zucker.«
    Sie hielt die Tasse in beiden Händen und lehnte sich zurück.
    »So, Georgine, Ihr davongelaufener Ehemann. Sie haben die Geschichte noch nicht fertig erzählt.«
    »Doch, ich habe sie zu Ende erzählt. Aber sie

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