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Das Leben kleben

Das Leben kleben

Titel: Das Leben kleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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meine Fantasie an. Wie Ms. Firestorm sagen würde, ich fühlte mich
auf unerklärliche Weise zu ihm hingezogen.
    Ich verließ das Haus in Eile ohne Schirm, und beim Rennen rutschte mir ständig die Kapuze meines Dufflecoats vom Kopf, so dass ich außer Atem und vollkommen durchnässt am Totley Place ankam. Als ich um die Ecke bog, sah ich einen schwarzen Sportwagen - eine tiefer gelegte, bösartig aussehende Maschine -, der raubtierhaft auf der Straße vor Canaan House lauerte. Raubtierhaft - wie ein Wolf? Doch dann sah ich, dass es ein Jaguar war. Als ich näher kam, ging die Fahrertür auf, und eine lange, schlanke Gestalt entfaltete sich auf den Bürgersteig. Groß, dunkel, gutaussehend. Ich blieb stehen und holte Luft. Etwas an ihm kam mir seltsam bekannt vor. »Mrs. Sinclair?«
    Ich nickte. Er hob fragend eine Braue und streckte mir die Hand entgegen, die warm und fest war. Mein Herz zappelte wie ein Fisch am Haken. Ich spürte eine angenehme Regung in der Beckengegend.
    »Sie müssen Mr. Wolfe sein«, sagte ich und versuchte mir den Regen aus dem pudelnassen Haar zu schütteln.
    »Nein, ich bin Mark Diabello.« Sein Lächeln zauberte Grübchen in die markanten Gesichtszüge. Das eckige, männliche Kinn wurde von einem verführerischen Spalt geteilt. Seine dunkel schwelenden Augen schienen direkt in meine Seele zu blicken - oder eher direkt in mein Höschen. Wieder spürte ich das angenehme Beckenglühen. »Es heißt >schöner Tag<, hat man mir erzählt.«
    Seine Stimme war wie schwarze Melasse - süß, mit einer harten mineralischen Note.
    »Nicht so wie heute.« Ich klimperte mit den nassen Wimpern. Was war mit mir los? Dieser Mann war Immobilienmakler, und eindeutig nicht mein Typ. »Äh ... ungewöhnlicher Name. Italienisch?«
    Ich bereute, dass ich das Fledermauskostüm trug.
    »Spanisch. Mein Vater war ein fahrender Mandolinenspieler.«
    »Wirklich?« Er lächelte immer noch, und seinem Ausdruck war nicht zu entnehmen, ob er einen Scherz machte oder nicht, aber die Vorstellung war, mmmh, verlockend. »Ich habe den Schlüssel«, murmelte ich. »Möchten Sie sich umsehen?«
    In die Wangen grub sich ein Lächeln. Die Augen schwelten. Ich starrte ihn an. Mein armes Fischherz zerrte täppisch an der Schnur, doch ich hing fest.
    Wonder Boy, Violetta und ihre Kollegen hatten sich vor der Eingangstür versammelt. Ich ließ sie hinein und fütterte sie in der Küche, weil es draußen zu nass war. Es war bitterkalt im Haus, eine klamme, schneidende Kälte, die uns zusammen mit dem Gestank von altem Katzenfutter und Gerüchen, die noch schlimmer waren, entgegenschlug. Dann nahm ich einen anderen, angenehmen Geruch wahr, schwach und würzig wie teure Seife. Das war
er.
Auf unerklärliche Weise von ihm angezogen lief ich hinterher, während er durch das Haus wanderte und dabei vor sich hin murmelte. Er hatte ein kleines Gerät dabei, eine Art Taschenlampe mit einem Laserstrahl, den er aufreizend über die Wände tanzen ließ, um Maß zu nehmen. Ich sah wie hypnotisiert zu. Klick. Blitz. Wenn ich nett fragte, ob er mich dann auch mal ließ? Die Details notierte er sich auf einem Zettel, der aussah wie eine zerknitterte Quittung.
    Er schien völlig unbeeindruckt von dem Gestank. Selbst als er im Flur in einen Haufen frische Katzenkacke trat (wie war sie dort gelandet?), bückte er sich einfach und putzte sich den Schuh mit dem blütenweißen Baumwolltaschentuch aus seiner Brusttasche ab. Ergriffen sah ich zu, wie er das Taschentuch im Küchenmülleimer entsorgte.
    »In so einem Haus würde ich gerne wohnen«, murmelte er heiser mit seiner tiefen, männlichen, mineralischen Stimme, deren Frequenz direkt zu meinen Hormonen sprach, ohne den Umweg über das Gehirn zu nehmen. Dann fiel mir ein, woher ich ihn kannte - aus dem
Verspritzten Herz.
Genauso hatte ich mir den Helden vorgestellt. Nur dass der Held in meinem Roman Dichter war, kein Immobilienmakler.
    »Charakter. Genau das, was auf dem Immobilienmarkt heute so schwer zu finden ist.«
    Wir waren am Ende des Rundgangs angekommen und standen auf der Veranda. Es hatte aufgehört zu regnen, und die schwache Wintersonne wagte einen Kurzauftritt, so dass es draußen wärmer als drinnen war, und die Luft sehr viel besser.
    »Stuck, historisierende Türbögen und Säulen. Ich meine, verstehen Sie mich nicht falsch, Mrs. Sinclair, hier muss viel gemacht werden. Natürlich müsste man behutsam vorgehen. Die wunderbaren historischen Details erhalten. Man müsste ein paar

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