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Das Leben kleben

Das Leben kleben

Titel: Das Leben kleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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wahrzunehmen. Dann begriff ich, dass es der gleiche Torbogen war wie auf dem Foto in der Harlech-Castle-Dose, dem mit der dunkeläugigen Frau: Lydda. Die Säulen und das grelle Licht erinnerten mich an Griechenland.
    Das Dritte, was mir auffiel, als ich in die Küche ging, um die Katzen zu füttern, war, dass der Schlüssel zur Hintertür, der immer im Schloss steckte, fehlte. Jemand hatte ihn gestohlen. Schlagartig wurde mir klar, dass es nur der böse, wölfische Mr. Diabello gewesen sein konnte.
     
    Hastig fütterte ich die Katzen und stürmte wütend nach Hause, doch als ich zum Telefon griff, um meine Wut an Wolfe & Diabello auszulassen, klingelte es in meiner Hand. Es war Penny, die Sekretärin von
Klebstoffe,
die wissen wollte, ob ich die Pressemitteilung mit den neuen Forschungsergebnissen zu marinen Klebstoffen bekommen hätte. Tatsächlich hatte ich sie schon vor zwei Tagen gekriegt, aber ich hatte noch nicht einmal hineingesehen. Ich murmelte eine halbherzige Entschuldigung, die sie sofort durchschaute.
    »Was ist los, Georgie?«, dröhnte sie. »Irgendwas stimmt nicht, Schätzchen, das merke ich. Ist es wieder dein Ehemann?«
    »Nein. Es ist ein anderer hinterhältiger Mann.«
    Ich erzählte ihr von dem verschwundenen Schlüssel und dem zwielichtigen Immobilienmakler.
    »Hm.« Ich hörte Pennys Atem am anderen Ende. Nichts, was sie tat, tat sie leise. »Bloß nichts überstürzen, Schätzchen. Vielleicht liegst du falsch mit dem Schlüssel, und dann verbockst du deine Chance bei diesem sexy Typen.«
    Woher wusste sie, dass er sexy war? War ich so durchschaubar?
    »Du solltest dir eine zweite Meinung holen, Schätzchen. Zwei zweite Meinungen. Eine zum Wert des Hauses und die andere zu dem, was diese Sozialtussi sagt.«
    Bei ihrer Tante Flossie sei es ganz ähnlich gelaufen, erklärte sie, die wurde von der Behörde ins Heim geschickt und starb sechs Monate später an ungeklärten Komplikationen.
    »Gott hab sie selig. Jetzt sitzt sie da oben im Himmel, trinkt ihren Sherry, sieht zu uns runter und verflucht die miesen Schweine, die sich ihr Haus unter den Nagel gerissen haben.«
    »Darf man im Himmel Sherry trinken und fluchen?« Ich kicherte.
    »Wenn nicht, Schätzchen, will ich da nicht hin.«
    Die Vorstellung vom himmlischen Sherry-Trinken und Fluchen heiterte mich auf, und ich versprach Penny, ich würde mich um die marinen Klebstoffe kümmern - ja, sofort -, doch zuerst folgte ich ihrem Rat und versuchte eine zweite Meinung vom Sozialamt zu organisieren.
    Mrs. Goodney arbeitete für das Krankenhaus, nicht bei der Kommune, das wusste ich, und so rief ich am nächsten Tag wieder beim städtischen Sozialamt an. Ich erklärte der gut gelaunten Stimme bei den »Senioren!«, dass eine Seniorin, nämlich meine Nachbarin, im Krankenhaus war und eine Überprüfung der Wohnsituation brauchte, bevor sie nach Hause durfte.
    »M-hm. Einen Augenblick bitte. (Eileen, wie heißt noch mal die, wo die Hausbesuche macht?)«
    Eileens Stimme, gedämpft im Hintergrund, sagte etwas, das klang wie »Bad Eel«. »Die macht grad Kaffeepause.«
    »Da müssen Sie mit Ms. Bad Eel sprechen. Leider ist sie gerade in einem Meeting. Wenn Sie mir Ihre Nummer geben, ruft sie zurück.«
    Bad Eel. Böser Aal. Ich stellte mir eine aalglatte, glitschige Person vor, mit rotem Lippenstift und einer kleinen silbernen Pistole im Rüschenstrumpfband.
    Ich verbrachte den ganzen Morgen am Schreibtisch, sah durchs Fenster zu, wie der Wind verirrte Blätter über das feuchte Gras scheuchte, und wartete auf den Rückruf des bösen Aals. Eigentlich hätte ich an der Pressemitteilung über marine Klebstoffe arbeiten sollen, die mir Penny geschickt hatte. Irgendeine Firma war dabei, eine synthetische Version des Klebstoffs zu entwickeln, den Schalenweichtiere wie Miesmuscheln und Austern verwenden, um sich an den Felsen festzuhalten. Anscheinend handelte es sich um eine der stärksten Verbindungen, die in der Natur vorkamen. Sie benutzten feine, fadenartige Tentakeln, Byssus oder Muschelseide genannt, die besonders reich an phenolischen Hydroxygruppen waren. Phenolische Hydroxygruppen: etwas an diesen Wörtern verwandelte mein Gehirn in Kleister.
    Ich dachte an die Muscheln, die dort unten im gesprenkelten Licht lebten, Algen aus dem Wasser filterten und sich jederzeit gegen das Meer abschotten konnten. Es musste wunderbar sein, eine Muschel zu sein: sich in der eigenen Perlmuttwelt einschließen zu können und fest am Felsen zu hängen, während

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