Das Leben kleben
mein Herz vor Wut und Entrüstung. Ja, es war tatsächlich das, was ich argwöhnte -ein großes grünoranges »Zu verkaufen«-Schild, auf dem in dicken schwarzen Buchstaben ein Name stand: Wolfe & Diabello.
Es steckte im Boden an der Mauer. Ich griff nach dem Pfosten und riss daran. Er rührte sich nicht. Ich ruckelte ihn hin und her, um ihn zu lockern. Dann zwängte ich mich an der Heckenrose, die an der Mauer wuchs, vorbei und stellte mich hinter den Pfosten. Mr. Diabello hatte sich wohl kaum selbst die Finger damit schmutzig gemacht und riskiert, dass er mit seinem italienischen Anzug in den Dornen hängen blieb. Wahrscheinlich war es irgendein muskelbepackter Scherge gewesen, der in einem weißen Lieferwagen anrückte und den Pfosten mit einem Holzhammer in den Boden trieb. Ich zerrte mich in Rage, aber das Ding wollte sich nicht rühren. Falls mich jemand beobachtete, musste er denken, ich wäre verrückt geworden. Mit beiden Händen packte ich das Schild, ging in die Knie und zog ein letztes Mal mit aller Kraft. Diesmal glitt es aus dem Boden wie das Messer aus der Butter. Ich taumelte, verlor das Gleichgewicht und fiel rückwärts in die Rosenhecke. Ein Dorn riss meine Wange auf. Wonder Boy kam jaulend aus dem Gebüsch. Dann fing es zu regnen an.
Ich war drauf und dran, bei Wolfe & Diabello hineinzustürmen und eine Erklärung zu verlangen, doch zuerst wollte ich nach Hause, um meinen Regenmantel zu holen. Als ich die Tür aufmachte, klingelte das Telefon. Es war Rip.
»Hallo, Georgie. Ich wollte kurz mit dir über Weihnachten reden.«
Ich biss die Zähne zusammen. »Schieß los.«
»Ich habe mich gefragt, ob du Pläne hast?«
»Nichts Bestimmtes. Warum? Hast du welche?« Grauen überfiel mich -Weihnachten: die Zeit, in der Familien zusammenhalten sollten. Würde ich Weihnachten allein überleben?
»Ich habe daran gedacht, mit Ben und Stella nach Holtham zu fahren ...«
»Kein Problem.« Tatsächlich hätte ich mich am liebsten in einer Badewanne voll mit lauwarmem Urin ertränkt, doch ich schaffte es, ungerührt zu klingen. »Tu das. Ist mir recht.«
»Und was machst du?«
»Ich habe noch nicht darüber nachgedacht.«
Nachdem er aufgelegt hatte, ging ich ins Schlafzimmer, warf mich aufs Bett und heulte los. Ich schluchzte und schluchzte, bis mir die Brust wehtat, meine Schultern zitterten und mir der Rotz aus der Nase lief. Ich weinte um meine kaputte Ehe und um meine kaputte Familie, um all die Schmerzen und Erniedrigungen, die ich in meinem Leben erfahren hatte, um meine kränkelnden Eltern und meinen abwesenden Bruder, um meine Tochter, die zu weit weg war, um das Elend der Menschheit, um die verhungernden Babys in Afrika, Jugendliche, die sich selbst verletzten, Selbstmordattentäter und ihre Opfer, sie alle wurden herangespült von der gleichen gewaltigen, umbarmherzigen, unteilbaren salzigen Flut der menschlichen Not. Ich dachte an die Muscheln, an die glatten perlmutternen Wände ihrer Schalen, das grünliche Licht, vom Meerwasser gefiltert; ganz gleich, woraus der außergewöhnliche Klebstoff gemacht war, der es ihnen ermöglichte, sich so festzuhalten, während um sie herum die Stürme tobten, genau das war es, was ich jetzt brauchte.
13 - Kein Job zu klein
Am nächsten Tag war meine Streitlust ein wenig verflogen, aber ich beschloss, trotzdem bei Wolfe & Diabello vorbeizugehen. Ich musste den Kopf freibekommen, sie sollten mir Rede und Antwort stehen. Es war wieder ein kalter, stürmischer Dezembertag, und am Himmel drängten sich graue Wolken. Ich zog die Kapuze über und den Kopf ein, und vielleicht sah ich das Ding deshalb erst, als ich praktisch darüber stolperte - einen Holzpfosten, der mitten auf dem Bürgersteig lag. An dem Pfosten war ein »Zu verkaufen«-Schild befestigt. Nicht von Wolfe & Diabello, sondern von Hendricks & Wilson. Das war seltsam - in der Nacht war es windig gewesen, aber nicht
so
windig. Noch seltsamer - als ich um die Ecke kam, fand ich noch eins, das in einer Hecke steckte, ein paar hundert Meter die Straße hinauf. Dann, etwas weiter, entdeckte ich ein drittes in einem Müllcontainer.
Das Büro von Wolfe & Diabello war leer, als ich eintrat. Ich öffnete und schloss die Tür noch einmal, und die Glocke klingelte wieder, doch es passierte nichts. Beim dritten Mal kam endlich Suzi Brentwood aus einer Tür im hinteren Teil; sie wirkte irgendwie ertappt, bis sie ihr professionelles Lächeln aufsetzte.
»Hallo, Mrs. ... Was kann ich für Sie
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