Das Leben kleben
Gemeindemitglieder.«
Den gleichen Gedanken hatte ich auch schon gehabt, doch inzwischen wusste ich, dass Mrs. Shapiro, wie ich, ein Mensch war, dessen Bindungen sich gelöst hatten.
»Naja, es ist wohl ihre eigene Entscheidung.« Sie nahm ein kleines Notizbuch aus der Tasche - auf dem Umschlag war ein schlappohriger Labradorwelpe abgebildet - und einen Stift mit einem sehr abgekauten Ende und schrieb etwas auf.
Als wir schließlich wieder in der Eingangshalle standen, stellte ich ihr eine Frage, die mich beschäftigte, seit ich Mrs. Goodney begegnet war.
»Was würde eigentlich mit dem Haus passieren, wenn sie ins Heim müsste?«
»Ach, ich glaube nicht, dass es so weit kommt.«
»Aber wenn doch, würde die Gemeinde ihr das Haus wegnehmen?«
»O nein, so etwas tun wir nicht! Wie kommen Sie denn auf die Idee?« Sie schüttelte ihre goldenen Locken. »Wenn jemand ins Heim kommt, wird erst mal eine Schätzung seiner Finanzen vorgenommen. Falls er über ein Vermögen von mehr als einundzwanzigtausend Pfund verfügt, muss er die Kosten des Pflegeheims selbst tragen.« Während sie sprach, schrieb sie immer noch in ihr Büchlein. Ihre Stimme war so wohltuend, dass es mir schwerfiel, mich darauf zu konzentrieren, was sie sagte. »Darunter übernimmt es die Kommune. Ein Pflegeheim kann ziemlich was kosten - vier-, fünfhundert Pfund die Woche -, und wir versuchen immer erst, den Leuten zu helfen, ihre Unabhängigkeit zu Hause zu bewahren. Den meisten ist das auch am liebsten - die vertraute Umgebung, ein Leben, wie sie es sich eingerichtet haben.« Sie lächelte ein Pfirsichlächeln.
»Einundzwanzigtausend Pfund? Das ist nicht besonders viel, oder? Würde Grundbesitz - dieses Haus zum Beispiel - auch zum Vermögen zählen?«
»Wenn hier sonst niemand lebt und die betreffende Person in einem Heim ist, könnte es verkauft werden, um die Kosten zu decken.« Sie machte sich weiter Notizen, sah sich nachdenklich um und kaute am Ende ihres Kulis.
»Aber was, wenn die Person nicht verkaufen will?«
»Machen Sie sich keine Sorgen.« Sie nahm meine Hand und drückte sie mit ihren Würstchenfingern. »Im Moment sehe ich keinen Grund, sie in ein Pflegeheim zu schicken. Ich werde ein bedürfnisorientiertes Versorgungspaket empfehlen, das sie dabei unterstützen wird, weiter allein zu Hause zu leben.«
Ich unterdrückte den Impuls, zu erklären, ich sei mir sicher, sie brauchte kein Versorgungspaket. Ms. Baddiel war so appetitlich, dass ich am liebsten in sie hineingebissen hätte, doch stattdessen umarmte ich sie. Ich konnte diesen weichen rosa Polstern nicht widerstehen. Wahrscheinlich war sie es gewohnt, denn sie stand einfach nur da und lächelte. »Sie sind sehr emotional, Mrs. Sinclair«, war alles, was sie sagte.
Mrs. Shapiro dagegen war enttäuscht von Ms. Baddiel.
»Nicht jüdisch. Zu fett.« Sie schüttelte den Kopf und machte ein mürrisches Gesicht.
Ich war sofort zum Krankenhaus geeilt, um ihr die guten Neuigkeiten zu überbringen, und wir saßen wieder im Aufenthaltsraum am Fenster. Die Übergeschnappte kam ab und zu vorbei, machte Rauchergesten in meine Richtung und versuchte meinen Blick aufzufangen, doch ich ignorierte sie.
»Sie sagte, sie können ein Versorgungspaket für Sie zu Hause organisieren.«
»Was ist das für ein Paket? Was ist da drin?« Sie rümpfte die Nase, als könne sie es bis hierher riechen.
»Vielleicht eine Haushaltshilfe, jemand, der Ihnen beim Saubermachen hilft. Und beim Einkaufen und Kochen.«
»So was will ich nicht. Das sind alles Diebe.«
Ich versuchte sie zu überzeugen, weil ich Angst hatte, dass sie mit ihrer Sturheit ihre Chance, nach Hause zurückzukehren, verspielen würde.
Sie sah mich mit einem leichten Lächeln an. »Sie sind ein schlaues kleines Knödelchen, Georgine. Aber ich habe noch andere Neuigkeiten für Sie. Ich hatte einen Besucher.«
Sie zog eine Karte aus dem Chenillebademantel, eine grelle orange-grüne Karte mit einem großen schwarzen pseudogotischen Schriftzug: Wolfe & Diabello. Darunter stand in kleineren Buchstaben ein Name:
Mr. Nick Wolfe.
»Ein charmanter Mann. Hat mir ein Angebot für mein Haus gemacht.«
Ich schnappte nach Luft. Diesmal verschlug es mir wirklich den Atem. Diese Leute schreckten vor nichts zurück.
»Mr. Wolfe! Wie viel hat er Ihnen angeboten?«
Sie drehte die Karte um. Auf der Rückseite stand mit blauem Kugelschreiber: £ 2 Mio.
»Sehr gutaussehender Mann, übrigens. Würde einen guten Ehemann für Sie abgeben,
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