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Das Leben kleben

Das Leben kleben

Titel: Das Leben kleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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schniefte. »Also, dieser Ehemann - glauben Sie, dass er zurückkommt?«
    »Ich glaube nicht. Ich habe sein ganzes Zeug in den Container geworfen.«
    »Bravo!« Sie klatschte in die Hände. »Und was hat er dazu gesagt?«
    »Er sagte ...« (Ich sprach mit herablassender Stimme.) »... warum bist du nur so kindisch, Georgie?«
    Sie warf sich in ihrem Sessel zurück und kreischte vor Lachen.
    »Dieser davongelaufene Ehemann ist ein richtiger Schmock, nich wahr?«
    Ihr Lachen war so wild und fröhlich, dass ich einfach mitlachen musste. Anscheinend hallte unser Gelächter durch die ganze Station, denn ein paar Minuten später tauchte die Übergeschnappte auf, tanzte um uns herum und lüpfte den Saum ihres Bademantels, um ihre neuen Hausschuhe vorzuführen. Dann zwinkerte sie mir zu, zog eine Zigarette aus der Tasche und wedelte damit vor Mrs. Shapiros Nase herum.
    »Schau, was mir der Pförtner gegeben hat. Ich musste nur im Fahrstuhl mein Höschen für ihn runterziehen. Für das ganze Päckchen kann er mit mir machen, was er will, hab ich gesagt. Sagt er, nein danke, Missis, da hab ich bessere in der Leichenhalle gesehen.«
    Mrs. Shapiro kreischte wieder, und damit kam die Übergeschnappte erst richtig in Fahrt, sie kicherte, tanzte und zeigte ihre schrecklichen Zehennägel, bis auch ich wieder lachen musste und sogar die traurige Frau mit der Infusion ein tröpfelndes Kichern hervorbrachte. Wir hielten uns die Seiten und wieherten und kreischten wie eine Schar verrückter Gänse, bis die Stationsschwester kam und uns herunterputzte. Im Bus auf dem Heimweg hatte ich ein seltsam angenehmes Stechen in der Brust. Dann wurde mir klar, dass ich nicht mehr so gelacht hatte, seit ... seit Rip gegangen war.
     

14 - Bad Eel
    Ms. Bad Eel rief mich ein paar Tage später an. Wir verabredeten uns am Haus. Wie zuvor kam ich eine Stunde früher und machte sauber. Der Phantomscheißer war wieder am Werk gewesen; im Flur lagen zwei frische kringeiförmige Haufen. Ich putzte sie weg und machte einen schnellen Rundgang mit Staubwedel und Schrubber, wobei ich mich vor allem aufs Schlafzimmer und aufs Bad konzentrierte, auch wenn ich in letzterem auf verlorenem Posten kämpfte. Doch ich tat, was ich konnte, und sprühte großzügig mit Raumspray um mich. Auch wenn es nicht regnete, konnte ich die Katzen nicht draußen füttern, weil ich den Schlüssel zur Hintertür nicht hatte, daher fütterte ich sie in der Küche und zählte sie durch. Es waren nur fünf. Wonder Boy war ganz vorne dabei und schubste Stinkerle aus dem Weg. Borodin schlich sich an, den Bauch über den Boden schleifend, schnappte sich sein Fresschen und verschwand. Eins der Kinderwagenbabys hatte ein tränendes Auge. Mussorgski und Violetta fehlten. Ein paar Minuten später tauchte Violetta an der Haustür auf und zuckte mit dem hübschen Schwanz, gefolgt von einer Person, die nur Ms. Bad Eel sein konnte.
    Die erste Enttäuschung war, dass sie überhaupt nichts von einem Aal hatte. Tatsächlich war sie hemmungslos mollig, mit Kurven, die sich in weichen, runden Wülsten unter ihrem puddingrosa Stretchkleid wölbten, jeder elastische Rand ihrer erschreckend knappen Unterwäsche für alle sichtbar. Sie streckte mir die Hand entgegen. Ihre Finger sahen aus wie dicke kleine Bratwürstchen.
    »Hallo, Mrs. Sinclair. Ich bin Cindy Baddiel.«
    Sie betonte ihren Namen auf der zweiten Silbe. Das war die zweite Enttäuschung. Sie hieß gar nicht »Bad Eel«. Ihr honiggoldenes Haar fiel aus zwei großen Schmetterlingsspangen in üppigen Locken über ihre Ohren. Ihre Augen hatten die Farbe von Engelwurz; ihre Haut war wie Pfirsich; sie duftete nach Vanille. Trotz meiner Enttäuschung fand ich, dass sie etwas ungemein Appetitliches an sich hatte.
    Wahrscheinlich hatte ich sie ziemlich unhöflich angestarrt. Violetta brach das Schweigen mit einem redseligen Miau. Wir bückten uns beide gleichzeitig, um sie zu streicheln, und unsere Köpfe berührten sich, worüber wir beide lachten, und danach war alles ganz leicht. Sie ging durchs Haus (»Ent-zü-ckend. Per-fekt«). Sie begrüßte Stinkerle wie eine alte Flamme (»Hallo-o, mein Süßer«). Im Badezimmer zuckte sie kurz zusammen, sagte aber nur: »Man weiß nie, was kulturelle Vielfalt so alles mit sich bringen kann.«
    »Eines überrascht mich«, sagte sie, als wir wieder die Treppe hinunterstiegen. »Sie scheint gar keine Unterstützung von der jüdischen Gemeinde zu bekommen. Normalerweise kümmern sie sich gut um die älteren

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