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Das Leben kleben

Das Leben kleben

Titel: Das Leben kleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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Übergeschnappte und hob den Saum des Bademantels, um ein paar flauschige, himmelblaue Keilabsatzslipper vorzuführen. Vorn sahen ihre Zehen heraus, mit den widerwärtigsten dicken krustigen gelben Zehennägeln, die ich je gesehen hatte.
    »Die hätte eigentlich ich kriegen sollen«, maulte Mrs. Shapiro.
    Wir ließen die Übergeschnappte die Zigarette zu Ende rauchen und gingen zusammen auf die Station, wo ich Mrs. Shapiro die Tasche übergab, die ich gepackt hatte; sie nahm die Bürste, den Rest gab sie mir zurück.
    »Zu Hause habe ich bessere Nachthemden. Reine Seide. Nicht solche Schmatten. Bringen Sie mir das nächste Mal eins mit, Georgine? Und Wonder Boy? Warum haben Sie Wonder Boy nicht dabei?«
    »Ich glaube nicht, dass er hier reindürfte. Er ist nicht sehr ...«
    »Es gibt so viele idiotische Vorurteile hier. Aber Sie haben keine Vorurteile, oder, meine Georgine?«, säuselte sie. »Sie sind so schlau mit allem. Sie finden bestimmt einen Weg, da bin ich mir sicher.« »Ja, ich tue mein Bestes«, log ich.
    Es waren viele Besucher auf der Station. Ich zog uns im Aufenthaltsraum am Eingang der Station zwei Stühle ans Fenster. Der Raum war quadratisch und schmucklos, mit grünen Polsterstühlen, die wahllos herumstanden, einem Fernseher, der zu hoch an der Wand angebracht war, und einem Fenster, das auf einen Hof ging. Es roch nach Desinfektionsmitteln und Elend.
    »Mrs. Shapiro, ich habe um eine weitere Überprüfung gebeten. Eine Dame vom Sozialamt wird Sie besuchen kommen. Ihr Name ist Ms. Bad Eel.«
    »Das ist gut. Bad Eel ist ein guter jüdischer Name.«
    Das überraschte mich, aber was wusste ich schon? In Kippax gab es keine Juden.
    »Sagen Sie ihr, dass ich den Schlüssel habe und mich am Haus mit ihr treffen kann, um sie herumzuführen. Sie hat meine Nummer, aber ich schreibe sie Ihnen für alle Fälle noch mal auf.« Ich notierte die Nummer auf einen Zettel, den sie in die Tasche des Chenillebademantels stopfte. »Wenn irgendjemand wegen des Pflegeheims fragt, sagen Sie einfach, dass die Sache noch geprüft wird. Das sollte reichen.«
    Sie beugte sich vor und griff nach meiner Hand. »Georgine, mein Darlink. Wie kann ich Ihnen danken?«
    »Es gibt ein Problem. Sie wird mit Sicherheit nach Ihrem Alter fragen.«
    Jetzt sah sie mich an - ein wacher, schlauer Blick. Sie wusste genau, dass ich wusste, dass sie nicht sechsundneunzig war.
    »Was soll ich sagen?«
    »Mrs. Shapiro, ich helfe Ihnen, wenn ich kann. Aber Sie müssen mir die Wahrheit sagen.«
    Sie zögerte, dann beugte sie sich vor und flüsterte mir ins Ohr: »Ich bin einundachtzig.«
    Ich sagte nichts. Ich wartete. Nach einem Moment erklärte sie: »Ich habe denen gesagt, ich wäre viel älter.«
    »Warum haben Sie das gesagt?«
    »Warum? Ich weiß nicht warum.« Sie schüttelte trotzig den Kopf. »Mir hat noch nie jemand so viele dusselige Fragen gestellt, Georgine.«
    »Tut mir leid - das liegt daran, dass ich aus Yorkshire bin. Da oben sind alle furchtbar neugierig.«
    Ich versuchte mich an das Bild der beiden Frauen vor Canaan House zu erinnern.
Highbury 1948.
Ich überschlug die Zahlen im Kopf. Sie musste etwa dreiundzwanzig gewesen sein, als es aufgenommen wurde.
    »Sie wissen also Ihr Geburtsdatum?«, fragte ich vorsichtig. »Das wird die Frau wissen wollen.«
    »8. Oktober 1925.« Eine schnelle, präzise Antwort. Ob sie stimmte?
    Ich wollte weitere Fragen stellen, aber ohne zuzugeben, dass ich bei ihr zu Hause herumgeschnüffelt und die versteckte Harlech-Castle-Blechdose in der Werkstatt gefunden hatte. Ich hatte Fragen zu Lydda. Wer war sie? Wann hatten sie und Artem geheiratet? Was war aus ihr geworden? Außerdem hätte ich zu gern gewusst, wer die Blechdose versteckt hatte, und vor wem.
    Wir waren allein im Aufenthaltsraum, doch der Fernseher dröhnte in der Ecke vor sich hin. Ich suchte nach der Fernbedienung, um die Lautstärke herunterzudrehen, aber ich fand keine, also schaltete ich ihn einfach ab und machte es mir auf meinem Polsterstuhl bequem, um zuzuhören.
    »Sie haben mir Artems Geschichte noch nicht fertigerzählt.«
    »Und Sie haben mir noch nicht von Ihrem davongelaufenen Ehemann erzählt. Warum ist er davongelaufen?«
    »Sie sind dran, Mrs. Shapiro. Meine Geschichte erzähle ich Ihnen beim nächsten Mal.«
    »Ach so.« Sie lachte. »Wo war ich stehen geblieben?« »Das Pony ...«
    »Ach, ja, das Pony trottete über das Eis. Aber stellen Sie sich vor, es war gar kein Pony. Es war ein Rentier. Das Rentiervolk nahm ihn

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