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Das Leben kleben

Das Leben kleben

Titel: Das Leben kleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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ist.«
    »Ist Schlüssel Beweis für Besitz von Haus.«
    Langsam ging er mir auf die Nerven. Ich wollte einen Handwerker, keinen Philosophen.
    »Ich glaube, dass er gestohlen wurde. Ehrlich, wenn Sie mir nicht helfen können, Mr. Ali, möchte ich nicht länger Ihre Zeit verschwenden.«
    »Natürlich kann ich helfen. Aber besser wäre nicht Tür kaputt machen, wenn anderen Weg gibt. Haben Sie nach zweit Schlüssel gesucht?«
    »Wo sollte ich denn da suchen?«
    Ich dachte, mit einem Kerl in einem Lieferwagen hätte ich besser umgehen können. Er sah mich an, als wäre ich vollkommen hirnlos.
    »Woher soll ich wissen? Ich bin Handwerker, nicht Detektiv.«
    Er blickte sich mit seinen Hamsteraugen in der Küche um, dann fing er an, Schranktüren und Schubladen zu öffnen, und kramte durch schimmelige Spültücher und verkrustetes Besteck.
    In dem eingebauten Kiefernholzschrank neben dem Kamin war ein Durcheinander von Geschirr, Töpfen, Dosen, Kannen, Schüsseln, Vasen, Kerzen und anderem Kram, den man grob als Nippes zusammenfassen konnte. Mr. Ali stieg auf einen Stuhl und ging alles methodisch durch; er arbeitete sich von oben nach unten vor, nahm jeden Gegenstand aus dem Fach, schüttelte ihn und stellte ihn wieder zurück. In einer verschnörkelten silbernen Kaffeekanne im mittleren Fach fand er ein Bündel veralteter Zehnschillingscheine und einen Schlüsselbund.
    »Probieren Sie.« Er reichte ihn mir. Einer davon passte.
    »Ihr Broblem ist gelöst«, strahlte er.
    »Ja, vielen Dank, Mr. Ali.« Ich widerstand dem plötzlichen Impuls, seinen kleinen Hamsterkopf zu streicheln. »Aber es wäre trotzdem schön, wenn Sie das Schloss austauschen könnten, damit die Person, die den anderen Schlüssel geklaut hat, ihn nicht benutzen kann.«
    Er rieb sich über das Kinn. »Ich verstehe. In diesem Fall ich muss neues Schloss kaufen.«
    Er legte die Klammern wieder an und gondelte davon, die Straße hinunter.
    Kaum war er weg, ergriff ich die Gelegenheit und setzte meine Untersuchung des Hauses fort. Ich wusste zwar nicht genau, was ich eigentlich suchte, aber mich trieb die Überzeugung, dass es hier irgendwo einen Packen Dokumente oder Briefe gab, die mir den Schlüssel zu Mrs. Shapiros Geschichte liefern und die Identität der geheimnisvollen Frau mit den schönen Augen lüften würden. Doch bis auf Mrs. Shapiros Schlafzimmer waren die Zimmer des Hauses spärlich möbliert und es gab kaum Möglichkeiten, etwas zu verstecken, so dass ich langsam den Mut verlor.
    Von einem Fenster im oberen Stock schaute ich zu, wie die kalten Schatten durch den Garten wanderten. Ein paar Katzen streiften noch herum; ich sah Wonder Boy in den Büschen bei den Ställen, und Violetta saß auf dem Dach eines verfallenen Schuppens. Das Schlafzimmer, in dem ich mich befand, wirkte kalt und nüchtern im Vergleich zu der streng riechenden Dekadenz in Mrs. Shapiros Zimmer. Mrs. Sinclairs alte weinrote Vorhänge, die ich in den Container geworfen hatte, lagen als Tagesdecken auf zwei Einzelbetten. Ich sah in die Schubladen, doch sie waren leer, und auch unter den Matratzen war nichts. Ich hatte einfach kein Glück. Als ich ein paar Minuten später wieder aus dem Fenster sah, war auch Wonder Boy oben auf dem Dach des Schuppens, es sah so aus, als ob er Violetta vergewaltigte. Ich hämmerte gegen das Fenster, und er machte sich davon.
     
    Mr. Ali war Ewigkeiten fort, und langsam hatte ich die Nase voll davon, allein in dem leeren stinkenden Haus zu warten. Das nächste Mal, wenn ich einen Handwerker brauchte, dachte ich, würde ich mir einen aus den Gelben Seiten heraussuchen. Ich kehrte in Mrs. Shapiros Schlafzimmer zurück, setzte mich auf die Bettkante, starrte im Spiegel auf den Gartenweg hinaus und wünschte, er würde sich beeilen. Das war der Moment, als mein Blick auf eine weitere Schublade in der Frisierkommode fiel, eine niedrige, geschwungene Geheimschublade ohne Griff, direkt unter dem Spiegel. Ich hatte sie vorher nicht bemerkt, weil das ihr Zweck war - nicht bemerkt zu werden. Ich zog sie auf. Es lag ein Wust verknoteter Schmuckstücke darin - Ketten, Ohrringe, Broschen. Das meiste wirkte schäbig und kaputt, aber ein paar Stücke waren dabei, die tatsächlich wertvoll aussahen. War es klug, sie hier im Haus aufzubewahren? Als ich eine Kette aus blauen Steinen herausnahm, entdeckte ich am Boden der Schublade unter all den Klunkern ein Foto. Ich nahm es heraus, um es meiner Sammlung hinzuzufügen, doch es war nur eine Landschaft,

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