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Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Titel: Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Auma Obama
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schrecklich. Was, wenn er nun seinen Freunden erzählte, wie unbeholfen ich mich anstellte?
    »Ist noch Maismehl da?«
    »Nein«, antwortete ich kleinlaut.
    »Dann wird aus diesem Ugali nichts.«
    Und ehe ich begriff, was geschah, schaltete er den Herd aus, nahm den Topf und schüttete den gesamten Inhalt in den Mülleimer.
    »Aber, aber …«, stammelte ich entgeistert.
    Mein Vater hatte in dieser Zeit große finanzielle Probleme – ich wusste, dass es ihn manchmal sogar Mühe kostete, überhaupt eine Mahlzeit für uns auf den Tisch zu stellen. Wie konnte er unter diesen Umständen eine Speise einfach wegwerfen? Ohnehin wunderte es mich, dass er Freunde mit nach Hause gebracht hatte. Was sollten wir ihnen jetzt vorsetzen?
    »Wenn man Ugali zubereitet, muss das Wasser kochen, bevor man das Mehl hineinschüttet«, erklärte er mir seufzend. »Wahrscheinlich hat es gar nicht gekocht. So hättest du stundenlang weitermachen können, niemals wäre Ugali daraus geworden. Hier«, sagte er weiter und drückte mir etwas Geld in die Hand. »Lauf rasch zum Kiosk und kauf ein Paket Maismehl. Dann zeige ich dir, wie man Ugali kocht.«
    »Und deine Gäste?«, fragte ich unsicher.
    »Die können warten.«
    So schnell ich konnte lief ich zum Kiosk. Unterwegs dachte ich, dass mein Vater doch gar nicht so übel sei. Er wollte mir tatsächlich beibringen, wie man Ugali herstellt. Ich brauchte also keine Angst vor ihm zu haben. Dieser Übermensch war im Grunde doch nur eine ganz normale Person.
    Seine Abwesenheit in meinem Leben, bedingt durch seine Arbeit und seine traditionelle Vaterrolle, dazu das Bild einer strengen Autoritätsfigur, das insbesondere Obanda uns von ihm entworfen hatte, um damit drohen zu können – nach dem Motto: »Du tust, was ich sage, oder du kriegst Ärger mit deinem Vater!« –, all das hatte in mir eine Angst vor ihm geschürt, die sich nur schwer abschütteln ließ.
    Die Ugali-Episode endete schließlich mit einem Schnellkochkurs, bei dem mein Vater, während er selbst den Maisbrei zubereitete, jeden einzelnen Schritt erklärte, derweil ich neben ihm stand und zuschaute. Unter seiner Aufsicht durfte ich anschließend die Fleischsoße und das Gemüse aufwärmen. Als ich den geduldig wartenden Gästen endlich schüchtern das Essen servierte, lobte er mich und sagte kein Wort darüber, dass nicht ich diejenige war, die das Essen gekocht hatte.
     
    Unsere finanzielle Lage verschlechterte sich drastisch, als mein Vater eines Tages nach einem schweren Autounfall ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Bei dem Unfall hatte er sich neben anderen Verletzungen schwere Brüche an beiden Beinen zugezogen und musste eine Ewigkeit in der Klinik verbringen. Das Unglück geschah, kurz nachdem er gerade wieder eine Stelle erhalten hatte. Aber da er so lange ausfiel, verlor er sie wieder und war nun erneut arbeitslos. In Kenia hieß das, dass er kein Arbeitslosengeld, kein Kindergeld und auch keinerlei sonstige finanzielle Unterstützung erhielt.
    In dieser Zeit wussten wir manchmal nicht, wie wir über den nächsten Tag kommen sollten. Für uns Kinder war das ein sehr beängstigendes Gefühl. Nur wenige Verwandte vermittelten mir noch ein Gefühl von Nähe und Vertrauen. In den Schulferien erlebte ich, wie unsere Tante Zeituni, die jüngere Schwester meines Vaters, uns regelmäßig etwas zu essen brachte. Auch Tante Jane tat, was sie konnte, um uns zur Seite zu stehen. Sie arbeitete in der Stadtmitte, und in den Wochen, in denen ich nicht im Internat war, ging ich manchmal bei ihr vorbei und holte mir etwas Taschengeld ab. Sie war eine Schwester meiner Mutter, eine füllige, lebensfrohe und unterhaltsame Frau.
    In diesen schwierigen Zeiten geschah es mehrmals, dass ich während der regulären Schulzeit nach Hause geschickt wurde, weil das Schulgeld nicht eingegangen war. Eine Woche nach Beginn jedes Trimesters wurden morgens, wenn wir uns im Flur vor unseren Schlafsälen aufgestellt hatten, um frühstücken zu gehen, einige Namen ausgerufen. Die Betroffenen wussten dann, dass sie sich nach dem Frühstück beim Schulbuchhalter zu melden hatten. Jedes Mal, wenn mein eigener Name erklang, war mir klar, dass es um das Schulgeld ging. Mit einem Zettel in der Hand, auf dem mein Name und die Höhe des fehlenden Betrages standen, teilte der Buchhalter mir mit ernster Miene mit, er müsse mich leider wieder nach Hause schicken. Ich könne erst zurückkommen, wenn mein Vater die notierte Summe bezahlt hätte. Daraufhin kehrte ich

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