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Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Titel: Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Auma Obama
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Sarges auf das Gesicht meines Vaters schaute. Seine Haut wirkte leblos, sehr schwarz, zugleich war sie aber wie mit einer Art Grauschleier überzogen. Obwohl ich die Züge meines Vaters erkannte, wusste ich, dass er nicht mehr dort lag. Er war bereits fort und nicht mehr unter uns. Lange blieb ich wie im Traum am Sarg stehen, bis mich jemand sanft zur Seite schob. Auch andere wollten von ihm Abschied nehmen.
    Was hätte mein Vater, der so viel Wert auf Qualität und gutes Aussehen gelegt hatte, wohl dazu gesagt, dass man ihn in so einer hässlichen Holzkiste mit Guckloch begraben würde? Ich konnte einfach nicht begreifen, warum er so jung hatte sterben müssen. Er war nur dreiundvierzig Jahre alt geworden. Es wollte mir nicht in den Kopf, dass ein Autounfall genügt hatte, um sein Leben zu beenden, zumal er kaum äußere Verletzungen davongetragen hatte. Doch ich schreckte davor zurück, mich eingehender mit seinem Tod zu beschäftigen.
     
    Als mir bewusst wurde, dass ich in den Tagen vor der Bestattung meines Vaters eine Amnesie erlitten hatte, sagte ich mir, dass ich seinen plötzlichen Verlust offenbar seelisch nicht verkraftet hatte, ebenso wenig wie alle Gedanken darüber, wie er starb. Erst viele Jahre später fragte ich meine Tante Marsat, die zweitjüngste Schwester meines Vaters, was damals geschehen sei. Denn bei einem beiläufigen Gespräch mit Familienmitgliedern hatte ich mitbekommen, dass die Umstände, die zum Tod meines Vaters geführt hatten, anscheinend nicht ganz geklärt waren. Empört fragte ich meine Tante, warum denn damals niemand der Sache auf den Grund gegangen sei.
    »Keiner von uns hatte weder das nötige Geld noch die Beziehungen, um Nachforschungen anstellen zu lassen. Wir alle fühlten uns machtlos. Deshalb unternahmen wir nichts, sosehr es auch wehtat«, erklärte mir Tante Marsat.
    Bei ihren Worten überfiel mich ein entsetzliches Gefühl der Ohnmacht. Aber wem hätte ich etwas vorwerfen können? Ich lebte damals ja selbst schon seit über zwei Jahren fern von Kenia und der Familie und hatte schon seit langem nichts mehr mit dem Leben meines Vaters zu tun gehabt oder mich darum bemüht, seine Freunde kennenzulernen. Auch ich hätte nicht gewusst, wie ich seine einflussreichen Bekanntschaften hätte nutzen können, um Hilfe bei der Aufklärung seines Autounfalls zu bekommen.
    Und was hätte es genützt? Mein Vater war tot. Nachforschungen würden ihn auch nicht wieder zum Leben erwecken. Stattdessen würde mir der Kampf um die Wahrheit über den sinnlosen Tod meines Vaters nur weitere Schmerzen, weiteres Kopfzerbrechen bereiten. Aber jetzt wollte ich jede Einzelheit erfahren, besonders über seine Beerdigung. Da ich so gut wie keine Erinnerung an dieses Ereignis hatte, ließ ich mir von Tante Marsat detailliert alles erzählen.
     
    Osumba, wie wir Tante Marsat damals nannten, hatte bis zu seinem tödlichen Unglück bei meinem Vater gewohnt. Nach der Scheidung von Ruth hatte er nicht wieder geheiratet und lebte alleine, bis er Tante Marsat, die nur ein Jahr jünger ist als ich, bat, zu ihm zu ziehen. Abongo war längst ausgezogen und studierte in Nairobi.
    Mein Vater war gern mit Osumba zusammen. Sie ist eine kleine, sanfte Person mit einem freundlichen Gesicht, und ihre ruhige Art vertrug sich gut mit seinem schweigsamen, introvertierten Wesen. Ihre Anwesenheit half ihm gewiss, das Gefühl der Einsamkeit nicht so stark zu spüren.
    »Kurz bevor dein Vater starb, war er als führender Ökonom mit Regierungsabgeordneten zu einem Delegationstreffen der OAU , der Organisation für Afrikanische Einheit, nach Libyen geflogen. Vor Ort litt er unter Augenproblemen, wurde ärztlich untersucht und kehrte früher als geplant nach Nairobi zurück, um sich hier weiter behandeln zu lassen. Obwohl man ihn krank- geschrieben hatte, ging er aber jeden Tag für ein paar Stunden ins Ministerium.«
    Typisch, dachte ich, während ich meiner Tante gespannt zuhörte.
    »In dieser Zeit wurde er beauftragt, an einem Treffen mit dem Präsidenten der Weltbank teilzunehmen«, fuhr sie fort. »Dieses fand im Norfolk Hotel statt, hier in Nairobi.«
    »Woher weißt du das alles?«, fragte ich sie.
    »Weil dein Vater es mir erzählt hat. Er hat mir immer gesagt, wo er war und was er tat.«
    Sie sagte das so selbstverständlich, dass ich es ihr glauben musste. Sonderbar, dachte ich, meinen Vater hatte ich nicht als jemanden in Erinnerung, der anderen von seinen Angelegenheiten berichtete. Auf einmal sah ich meine

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