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Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Titel: Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Auma Obama
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Heimat zu arbeiten, die von der kenianischen Botschaft zu einer Handelsmesse nach Frankfurt eingeladen worden waren. Mr. Odengo arbeitete selbst in der Botschaft, ich hatte ihn durch meine Mutter kennengelernt, als sie mich damals, ein Jahr nach dem Tod meines Vaters, in Heidelberg besucht hatte. Im Anschluss daran erhielt ich einen Messe-Übersetzungsjob bei der philippinischen Botschaft. Die Arbeit wurde sehr gut bezahlt, was es mir in der Folgezeit ermöglichte, mindestens einmal im Jahr nach Kenia zu fliegen.
    Eines Tages erhielt ich im Studentenwohnheim in Bayreuth einen Anruf. »Hallo?« Nach dem Rauschen in der Leitung zu urteilen, rief mich jemand aus dem Ausland an. Im ersten Moment dachte ich, Tante Jane sei am Apparat.
    »Hallo, spreche ich mit Auma Obama?«, fragte eine Stimme, die aber nicht Tante Jane gehören konnte, sie war eindeutig männlich.
    »Ja. Mit wem spreche ich, bitte?«
    »Ian Manners von Zenith Promotions. Wir sind eine englische Firma und kommen nächsten Monat zu einer Messe nach Düsseldorf. Wir suchen einen Dolmetscher, und Sie sind uns empfohlen worden.«
    Er klang sehr sachlich, und ganz gegen meine Gewohnheit sagte ich:
    »Sie wissen aber, dass ich Afrikanerin bin, oder?«
    Dabei versuchte ich, nicht sarkastisch oder herablassend zu klingen. Ich wollte einfach nur, dass er es wusste. In solchen Situationen musste ich oft an den nigerianischen Schriftsteller Wole Soyinka denken. Telefongespräch ist eines meiner Lieblingsgedichte zum Thema Rassismus. Es handelt von einem Afrikaner, der telefonisch mit einer Vermieterin Kontakt aufnimmt, weil er sich für ein von ihr angebotenes Zimmer interessiert. Dabei versucht er, die Frau darauf vorzubereiten, dass sie es mit einem Schwarzen zu tun hat. Das Gedicht lautet:
     
    Der Preis schien vernünftig, Lage
    In Ordnung. Die Wirtin versicherte,
    Sie lebe nicht im Haus. Alles war klar,
    Nur noch mein Geständnis. »Madam«, warnte ich,
    »Ich hasse vergebliche Reisen – ich bin Afrikaner.«
    Stille. Lautlose Signale von
    Anstand in Bedrängnis. Stimme, als sie kam,
    Lippenstiftbeschichtet, gepresst durch lange,
    Goldne Zigarettenspitze. Ich war ertappt, in der Falle.
    » WIE DUNKEL ? …« Ich hatte recht gehört …
    » SIND SIE HELL
    ODER SEHR DUNKEL ?«
    (Aus dem Englischen von Al Imfeld)
     
    »Das ist mir egal.« Die Stimme meines Gesprächspartners klang ärgerlich. »Was für eine Frage!«
    »Tut mir leid. Ich wollte nur, dass Sie Bescheid wissen.«
    Ich war verunsichert. Mit einer so vehementen Reaktion hatte ich nicht gerechnet, eher mit einer wie: »Das macht doch nichts!« oder einer Ausrede, warum es in diesem Fall dann nicht klappen könne, es gäbe bestimmt sprachliche Probleme. Diesen Job kann ich wohl vergessen, dachte ich. Stattdessen kam vom anderen Ende der Leitung die Frage:
    »Können Sie denn für uns arbeiten?«
    Aha, es war noch nicht alles verloren.
    »Natürlich.«
    Wir besprachen alles Notwendige und verabschiedeten uns dann. Damals wusste ich noch nicht, dass der Mann, mit dem ich, im Flur des Studentenwohnheims auf dem Teppichboden sitzend, telefoniert hatte, mein zukünftiger Mann und Vater meiner Tochter sein würde.
     
    Als Ian in mein Leben trat, war die Freundschaft mit Karl gerade in die Brüche gegangen. Ich war sowohl mit dem Studium in Bayreuth als auch mit dem in Berlin unzufrieden, und alles, was ich zu dieser Zeit in Deutschland machte, erschien mir ziellos. Das Filmstudium verlief anders als erwartet, und die Doktorarbeit kam nur langsam voran. Ich fühlte mich wie ein schwankendes Schiff und suchte nach Sicherheit. Nach etwas Solidem, etwas Neuem. Und plötzlich tauchte Ian auf, ein Mann, der selbstständig zu sein schien, der entschlossen seinen eigenen Weg ging. Etwas, was ich bei Karl vermisst hatte.
    Leider sprach er nur wenig, was ich anfangs nicht merkte, weil ich selbst so viel redete. Mit der Zeit aber wurde mir bewusst, dass stets ich den Gesprächsverlauf maßgeblich bestimmte. Da fing auch ich an, öfter zu schweigen. Ich wollte wohl testen, ob es wirklich zutraf, dass er kaum etwas sagte, und ob er ohne mein Zutun einen Abend mit Freunden oder der Familie interessant gestalten konnte.
    In dieser Zeit besuchten wir Ians Schwester, die in Frankreich lebte. Sie war mit einem Schweizer verheiratet, und das Paar besaß nahe der schweizerischen Grenze ein Ferienhaus, in dem die beiden den Sommer verbrachten. Zwar unternahmen wir viel zusammen, doch ich merkte, dass Ian auch hier, bei seiner

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