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Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Titel: Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Auma Obama
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unterhaltsamer Lebensgefährte ist.
    »Du erwartest zu viel von einem Mann«, sagte meine Mutter nun mit Nachdruck.
    Als ich an mein zurückliegendes Jahr dachte, fragte ich mich, ob sie nicht vielleicht recht hatte.
    Als hätte eine höhere Macht ihre Bitte erhört, erhielt ich nur wenige Tage später einen Anruf von meinem Bruder Abongo aus den USA . Er erklärte mir, dass er vorhabe, ein Auto nach Kenia zu importieren, es aber in England kaufen wolle, da es dort auch Linksverkehr gibt. Er wollte wissen, ob ich dort irgendwelche Kontakte hätte. Ich dachte sofort an Ian, und wenig später sprach ich mit ihm und erhielt von ihm die Erlaubnis, meinem Bruder seine Telefonnummer zu geben.
    Es war mir eigenartig vorgekommen, nach all den Monaten wieder mit ihm zu sprechen. Und verdutzt stellte ich fest, dass ich ihn insgeheim vermisste. Er war wirklich ein »guter« Mann, wie meine Mutter angenommen hatte, eigentlich hatte ich ihm nichts vorzuwerfen. Für meine Rastlosigkeit war ja nicht er verantwortlich.
    Doch er rückte wieder in den Hintergrund – bis zum 14 . Februar 1995 . In der Post lag ein großer, fester Umschlag, der nichts anderes als eine Valentinskarte enthalten konnte. Von wem sie stammte, war von außen nicht zu erkennen. Meine Mutter, die immer noch bei mir lebte, konnte es kaum erwarten, etwas über den Absender zu erfahren.
    »Los, mach auf!«, ermunterte sie mich ungeduldig. »Wer ist der heimliche Verehrer, von dem du mir nichts erzählt hast?«
    Ich glaube, ihre größte Angst war die, dass ich mich in meiner ihr bestens bekannten Sturheit endgültig weigern würde zu heiraten und sie am Ende von mir kein Enkelkind bekommen würde. Für sie musste eine Frau mit einem Mann zusammen sein, verheiratet sein. Alles andere erschien ihr unnatürlich.
    Ich wollte mir mit dem Öffnen des Briefs Zeit lassen, aber das passte meiner Mutter gar nicht.
    »Mach schon, Auma! Lass sehen, von wem sie ist.«
    Ich gab mich geschlagen, öffnete den Umschlag und zog tatsächlich eine Valentinskarte daraus hervor. Zu meiner Überraschung hatte sie mir Ian geschickt. You will always be my valentine , stand in seiner sauberen Handschrift darauf, wenige Worte, die Bände sprachen. Ich war verwirrt. Was sollte ich damit anfangen?
    Meine Mutter hatte natürlich mitgelesen.
    »Wonderful, wonderful!« , rief sie und klatschte fröhlich in die Hände. »Der gute Mann liebt dich!«
    Kopfschüttelnd sah ich sie an. War sie jetzt durchgedreht?
    »Woher willst du das wissen? Es ist doch nur eine Karte.«
    »Nein, er denkt immer noch an dich! Sieh dir doch mal die Größe der Karte an.«
    Ich musste zugeben, dass sie riesig war, fast geschmacklos riesig. Ian wollte mir damit eindeutig etwas zu verstehen geben.
    »Gib ihm noch eine Chance, Auma. Du hast doch nichts zu verlieren.«
    Als ich meine Mutter so reden hörte, dachte ich plötzlich: Eigentlich hat sie recht. Was habe ich schon zu verlieren? Ich war allein und konnte nicht erkennen, wohin ich driftete. Ich war mir zwar nicht sicher, was ich für Ian empfand, aber etwas Negatives war es eindeutig nicht. Warum also nicht einen zweiten Versuch mit ihm wagen? Ihm schien wirklich etwas an mir zu liegen. Wenn die Größe der Karte seiner Liebe entsprach, konnte ich nicht viel falsch machen.
    Ich nahm den Telefonhörer zur Hand. Ich konnte mich ja erst einmal für die schöne, große Valentinskarte bedanken, dann würden wir weitersehen.
     
     
     
     
     
     
     
     

ENGLAND UND KENIA
     
     
     
     
     

23
     
    Pendeln schien mein Schicksal zu sein. Ian und ich hatten wieder zusammengefunden, und so nahm ich erneut meine Reisen zwischen Deutschland und England auf. Aber da sich unsere Beziehung festigte, plante ich nun, zu ihm zu ziehen.
    »Du kannst ja auch hier Filme drehen«, meinte Ian zuversichtlich. »Ich helfe dir dabei.«
    Aus seinem Mund klang es wie das Einfachste auf der Welt. Hatte ich vielleicht in ihm genau den Menschen gefunden, den ich brauchte und der mir helfen würde, meinen Traum, Geschichten in Bildern zu erzählen, zu verwirklichen? Eine akademische Karriere konnte ich mir nicht mehr wirklich vorstellen, weder in Deutschland noch in Kenia.
    »Ich habe sogar etwas Geld beiseitegelegt«, meinte er. »Das können wir in deinen Film stecken.«
    Was wollte ich mehr? Meine Mutter hat doch recht gehabt, dachte ich. Hier war jemand, der mich nicht nur liebte, sondern auch noch Interesse an meiner Karriere hatte. »Und was ist mit der Langeweile?«, hörte ich sie

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