Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise
Literatur ging, gehörte leider nicht zum Hauptinteressenbereich meines Professors, der sich damals eher für das Essen in der deutschen Literatur interessierte. Ich musste deshalb permanent um seine Aufmerksamkeit buhlen.
In dieser Zeit »retteten« mich Barbara und Donald und ihre beiden Töchter, Roma und Sandra. Donald war Kenianer und wie ich Luo. Wir schlossen unverhofft Bekanntschaft und er lud mich zu sich nach Hause ein. Seine polnische Frau Barbara und ich wurden enge Freundinnen. Ihre Familie wurde meine Anlaufstelle, wenn ich eine warme Atmosphäre suchte und ausführlich mit jemand reden wollte.
In meiner eigenen Familie passierte in dieser Zeit eine Menge. 1990 waren Karl und ich zur Hochzeit von Abongo in die USA geflogen. Er lebte seit einigen Jahren in der Nähe von Washington D.C., wo er Sheree, eine Afroamerikanerin, kennengelernt hatte. Nach der Feier fuhren Karl und ich mit einem Mietwagen nach New York, um uns noch einmal mit Ann und Maya zu treffen, die schon etwas eher von der Hochzeit nach Hause gefahren waren. Maya studierte noch und wohnte bei ihrer Mutter.
New York enttäuschte uns nicht. Die Metropole entsprach ganz und gar ihrem Ruf, war laut, schnell, aufregend und schlief tatsächlich nie. Wir spazierten durch die Fifth Avenue und schauten uns die Schaufenster der teuren Läden an. Von den Twin Towers schauten wir auf die Stadt und auch vom Empire State Building, wo wir in einem Restaurant im obersten Stockwerk zu Abend aßen. Auf dem Times Square bewunderten wir die bunte Kulisse der Neonreklamen, die die Stadt taghell erleuchtete. Ein Abstecher zum Guggenheim-Museum musste sein, und natürlich absolvierten wir den obligatorischen Besuch bei der alten Dame: der Freiheitsstatue.
Unsere Tage waren voll ausgefüllt mit Unternehmungen. Und als Maya ihren Geburtstag in einem der vielen Clubs feierte, bekamen wir auch einen Eindruck vom New Yorker Nachtleben.
Bayreuth kam mir nach dieser Reise noch beschaulicher vor, und trotz meiner kurzen Abwesenheit dauerte es eine Weile, bis ich mich wieder an den gemächlichen Rhythmus der Stadt gewöhnt hatte.
Aber eine Aufregung gab es doch: Noch bevor Karl und ich in die USA flogen, hatte ich mich bei der Deutschen Film- und Fernsehakademie ( DFFB ) in Berlin beworben. Das einsame Arbeiten hinter Büchern war mir immer schwerer gefallen. Das hatte auch damit etwas zu tun, dass ich zuvor ein dreimonatiges Praktikum beim WDR gemacht hatte. Die Medienerfahrungen, die ich bei diesem Kölner Sender sammelte, ließen in mir einen Wunsch wachsen: Ich wollte mehr vom Leben der Afrikaner erzählen, aber nicht mehr in Seminaren und Vorträgen, sondern visualisiert in Bildern.
Tatsächlich bekam ich die Zusage für die Teilnahme an der Aufnahmeprüfung der DFFB . Die erste Hürde war genommen. Vier Tage dauerte das Prüfungsverfahren – und am Ende konnte ich es kaum glauben: Unter den rund fünfhundert Bewerbern, die 1990 die Aufnahmeprüfung an dieser Akademie ablegten, wurde ich mit neun anderen Kandidaten für das dreijährige Film- und Fernsehstudium ausgewählt. Ich bin drin! Ich bin drin!, dachte ich immer wieder, als ich meinen Namen am Schwarzen Brett der Akademie las. Jetzt werde ich endlich lernen, meine Geschichten in Bild und Ton zu erzählen und dabei professionelle Unterstützung erhalten.
Karl, der mit dem Studium fertig war, hatte sich inzwischen geografisch noch weiter von mir entfernt. Er war an den Bodensee gezogen, wo er in Koblenz eine Stelle bekommen hatte. Die Gegend gefiel mir sehr, vor allem die Tatsache, dass dort die Wintermonate im Vergleich zu anderen deutschen Regionen relativ warm waren.
Duch die vielen Kilometer, die uns trennten, sahen wir uns noch weniger als bisher. Mehr und mehr hatte ich das Gefühl, dass jeder von uns sein eigenes Leben führte und nicht unbedingt bereit war, sich nach dem anderen zu richten. Diffus spürte ich, dass sich das Ende unserer Beziehung näherte.
In diesem Zustand unterschiedlichster Empfindungen flog ich erneut nach Kenia. Wanjiru, eine Kommilitonin aus der DFFB und ebenfalls Kenianerin, drehte dort ihren Abschlussfilm und hatte mich um meine Mitarbeit gebeten.
Außerdem gab es einen weiteren Grund für die Reise: Barack und ich hatten uns ein weiteres Mal in meiner Heimat verabredet. Seit der Hochzeit unseres Bruders Abongo war es zwischen ihm und Michelle immer ernster geworden. Inzwischen war sie seine Verlobte, und er wollte ihr unbedingt seine kenianische
Weitere Kostenlose Bücher